Baby tragen: Eine Frage der Trage


    Kürzlich stieß ich beim Aufräumen auf unsere alte, rote Ergobaby-Trage. „Können wir verkaufen. Vielleicht kriegen wir dafür noch ein paar Euro“, sagte mein Mann pragmatisch. Ich nickte, hatte dabei aber einen dicken Kloß im Hals. Die Trage, unser Jüngster und ich waren unzertrennlich gewesen. Der Kleine hatte darin sämtliche Sportstunden seiner Geschwister, Spielplatzbesuche, Spaziergänge, und sogar Familienfeste verschlafen. Na gut, hin und wieder ist er auch wach gewesen – und hat sich die Zeit damit vertrieben, mein Dekolleté vollzusabbern. Jedenfalls war der Knirps ein richtiger Tragling. Er ist quasi direkt aus meinem Bauch an meine Brust umgezogen. Vor dem Ergobaby hatte ich einen quietschbunten Mei Tai  im Dauereinsatz. Auch mit Tuch habe ich den Kleinen hin und wieder getragen, aber das Anlegen hat irgendwie immer zu lange gedauert. Die beiden Großen, damals 3 und 4, hatten wenig Verständnis dafür, wenn ich Knoten-Bindend vor unserem Spiegel stand und sich der Spaziergang dadurch um zwei Minuten verzögerte. Im lila-gelben Mei Tai wurde es irgendwann doch ein bisschen eng für unseren Junior. Und so hielt der Ergobaby bei uns Einzug – in der Sportvariante mit verlängerbaren Gurten, weil mein Mann hin und wieder mittrug. Als mein Söhnchen 4 Monate alt war, beschloss ich, genauso sportlich zu werden, wie meine Trage und ging samt Ergo und Baby zum Kangatraining.

    Vom Tragen in der Fronttrageweise

    Dort lernte ich andere Mamas mit Bauchbeutel kennen und erfuhr bereits in der ersten Kangastunde, dass Trage nicht gleich Trage ist. Ich erwähnte ganz unbedarft, dass ich meine beiden ersten Kinder in einem BabyBjörn getragen hatte. Hin und wieder auch in der Fronttrageweise! Ich erntete entsetzte Blicke und wurde sofort darüber informiert, dass im BabyBjörn die für das Kind so wichtige Anhock-Spreiz-Haltung nicht funktioniere und dass das Tragen in Blickrichtung quasi Kindesmisshandlung sei. „Wieso?“ fragte ich und die angriffslustigen Mamis erklärten mir, dass ich meine Kinder damit viel zu vielen Sinneseindrücken ausgesetzt hatte. Die spinnen doch alle, dachte ich, erwähnte aber den BabyBjörn vorsichtshalber nie wieder. Ich lies mich ein wenig ein und erfuhr, dass die Kanga-Mütter nicht ganz unrecht hatten. Die richtige Haltung war das A und O einer guten Trage. Bei einer Trageweise nach vorn konnte sie noch nicht einmal ansatzweise erreicht werden. Ich hatte meine beiden Großen immer dann in Blickrichtung getragen, wenn es wirklich etwas zu sehen gab. Zum Beispiel bei der Wanderung in den Alpen oder beim Spaziergang im Regen. Und statt ihnen etwas Gutes zu tun, hatte ich ihnen damit also geschadet?

    Späte Absolution

    Vor einer Woche schließlich erteilte mir eine nette Trageberaterin und Kangatrainerin, mit der ich beruflich zu tun hatte, späte Absolution. „Toll, dass Du überhaupt getragen hast“, sagte sie, nachdem ich ihr von meiner ersten Kangastunde erzählt hatte. „Und was ist mit der Anhock-Spreiz-Haltung und den Sinneseindrücken?“, fragte ich vorsichtshalber. Die Trageberaterin blieb ganz entspannt. „Hast Du deine Kinder täglich 10 Stunden getragen?“ Ich verneinte. „Und fanden sie es doof zwischendurch mal nach vorn zu schauen?“ Auch hier schüttelte ich den Kopf. „Na also“, sagte sie. „Kinder zeigen es doch, wenn sie sich in ihrer Trage nicht wohl fühlen“. Puh, da bin ich ja gerade nochmal davon gekommen. Ob im BabyBjörn, im Mei Tai oder im Ergobaby: Meine Kinder haben sich eigentlich immer gerne tragen lassen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Großen wollen hin und wieder huckepack reiten. Und wenn ich unseren Kleinsten hochnehme, hält er sich wie ein Äffchen mit Armen und Beinen an mir fest – ganz so wie in alten Tragezeiten.

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