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Grenzen setzen bei Baby und Kleinkind – muss ich das?


Kinder brauchen Grenzen. Grenzen geben Sicherheit. Solche Erziehungsfloskeln höre und lese ich als Bloggerin und Mutter eines Kleinkindes immer wieder. Hast Du Dich auch schon mal gefragt, warum Kinder diese Grenzen eigentlich brauchen und ab wann? Muss ich diese als Mutter künstlich erzeugen oder sind Grenzen nicht etwas ganz natürliches? Und was genau bedeutet eigentlich dieses „Grenzen setzen“ bei einem Baby oder Kleinkind?

Was bedeutet „Grenzen setzen“?

Mit „Grenzen setzen“ sind in der Regel nicht natürliche Grenzen oder die definitiven Grenzen von Bezugspersonen gemeint, denn diese sind ja ohnehin recht unveränderlich und man müsste sie nicht extra „setzen“. Darüber muss also kein (vermeintlicher) Erziehungsexperte diskutieren.

Mit „Grenzen setzen“ meint man stattdessen erzieherische, also mehr oder weniger willkürlich gesetzte Grenzen, die dem Lerneffekt des Babys oder Kindes dienen sollen.

Das heißt, mit den Grenzen beginnt für ein Baby die Erziehung als Versuch der gezielten Formung seines Verhaltens. Indem man einem Kind bestimmte Dinge erlaubt und andere bestraft, soll es lernen, bestimmte Verhaltensweisen an den Tag zu legen und andere zu unterlassen. Das Ziel, also sozusagen die Ziel-Person, die durch diese Erziehung geformt werden soll, variiert von Eltern zu Eltern. In der Regel geht es um soziale Anpassung und um den späteren Erfolg in der Gesellschaft.

Ab wann und ob überhaupt man mit dieser Erziehung beginnen sollte, darüber gehen die Meinungen immer noch stark auseinander. Genauso wenig einig sind sich Experten beim Thema Grenzen setzen.

Ab wann muss sich meinem Baby Grenzen setzen: Die althergebrachte Meinung

Historische Wurzeln der frühen Erziehung und Abhärtung

Dass vor allem zwischen den Generationen da häufig Uneinigkeit herrscht, hat mitunter historische Wurzeln. Denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte eine ganz andere Meinung über die emotionale und psychische Entwicklung von Babys als heute. Man dachte, dass kleine Babys über keinerlei Gefühle, auch nicht über Schmerz, verfügen würden. Die Zeit der ersten Babymonate, so dachte man, habe keinen Einfluss auf das spätere Leben und diene nur der körperlichen Weiterentwicklung.

Sale

So konnten auch Ärzte wie Johanna Haarer von deutschen Frauen verlangen, ihre mütterlichen Instinkte grob zu übergehen und das Kind in dieser Zeit „auf das Leben vorzubereiten“. Im dritten Reich wurde gezielt eine „Abhärtung“ von Babys und Kleinkindern und ein Trimmen auf blinden Gehorsam propagiert – denn immerhin war es das, was die Reichsarmee benötigte. Soldaten, die keinen Schmerz zeigten und blind gehorchten.

Das schlimmste, was Eltern tun konnten, war, ihr Kind zu „verzärteln“, denn so würde es später in der Welt nicht bestehen.

Das Erbe setzt sich fort

Aus dieser Zeit ist sind bis heute viele Meinungen und vermeintliche „Wahrheiten“ über die Entwicklung und Erziehung von Babys und Kleinkindern erhalten geblieben. So habe ich bei meiner Recherche in vielen Online-Ratgebern gelesen, man solle ein Baby ab einem Alter von sechs Monaten zu erziehen beginnen – nein man müsse das sogar, damit es lernt, auf die Eltern zu hören und ein Nein zu tolerieren.

Die Angst, die dahinter steht und auch immer wieder geschürt wird, ist immer noch dieselbe wie zu Zeiten des zweiten Weltkrieges: Die Angst vor dem kindlichen Tyrannen; davor, ein „Arschlochkind“ großzuziehen, das sich an keine Regeln hält und sich in der Gesellschaft nicht einfügen kann; die Angst vor einem verzogenen Rotzbengel, der uns auf der Nase herumtanzt.

Viele Eltern wissen heute zum Glück, dass Babys in den ersten Lebensmonaten überhaupt nicht „verziehen“ kann – das heißt, dass die Erfüllung der Bedürfnisse eines Babys immer gerechtfertigt sind. Ein Baby muss und kann man nicht erziehen, es verfügt nicht über die kognitiven Fähigkeiten.

Besser als erzieherische Grenzen setzen: Vorbild sein

Würde das bedeuten, dass ich meinem Baby keine Grenzen setzen muss? Ich denke es bedeutet, dass Du Dir zumindest darüber bewusst sein solltest, dass Dein Baby diese Grenzen nicht verstehen wird.

Stattdessen ist es meiner Erfahrung nach sinnvoll, ein gutes Vorbild zu sein. Es gibt bis heute keinen Beleg dafür, dass Erziehung tatsächlich funktioniert, also dass sich das Verhalten von Kindern durch Strafe und Konsequenzen überhaupt langfristig und nachhaltig verändern lässt. Dafür, dass Kinder durch Vorbilder lernen und später instinktiv anwenden, was sie selbst als Kind erlebt haben, gibt es dagegen genug Belege.

Das heißt, dass Du deine eigenen, persönlichen Grenzen wahren und verteidigen solltest, und die anderer (auch die des Kindes!) respektieren. So lernt Dein Kind eines Tages, es ebenso zu tun.

Notwendige Grenzen durchsetzen – so wenig wie möglich

Aber was ist mit den Grenzen, die einfach sein müssen, wie setze ich die durch? Wie lernt mein Baby, ein „Nein“ zu akzeptieren?

Die Wahrheit ist wohl: Babys können das nicht.

Neuere Meinungen von Erziehungswissenschaftlern und Pädagogen lauten, dass dazu ein kognitiver Entwicklungsstand nötig ist, den Kinder in den ersten zwei bis drei Lebensjahren nicht besitzen. Das heißt, in dieser Zeit kann es nicht gelingen, ihnen ein Verständnis für die gesetzten Grenzen beizubringen. Man kann sie nur, wie Tiere, durch Strafe und Belohnung „dressieren“, ihnen sozusagen Gehorsam antrainieren. Dass das in unserem Jahrhundert ein wünschenswertes Erziehungsziel ist, wage ich zu bezweifeln.

Natürlich gibt es trotzdem Dinge, die einfach ein Nein erforderlich machen. Weil das Baby sonst in Gefahr ist, weil etwas kaputt geht oder andere zu Schaden kommen. Das lässt sich nicht verhindern, ist aber für das Baby jedes Mal eine negative Erfahrung. Denn je kleiner das Baby ist, desto weniger versteht es ein streng ausgesprochenes Nein als Verbot der Handlung. Vielmehr bezieht es die Kritik direkt auf sich selbst. Ein Nein wirkt wie eine Strafe, aber hat ansonsten keinen tieferen Sinn für ein Baby.

Das Kind auf das Leben vorbereiten? Nicht durch Grenzen setzen!

Beobachtungsstudien zeigen, dass die Bereitschaft eines Babys oder Kleinkindes, auf ein Nein zu hören, sinkt, je öfter es ausgesprochen wird. Das heißt, dass es in eurem Alltag mit Baby tatsächlich so wenig Grenzen wie möglich geben sollte. Autorin, Kleinkindpädagogin und Dreifachmutter Susanne Mierau nennt das eine „Ja-Umgebung„. Auch wenn es schwer zu glauben ist: So bereitest Du Dein Baby am besten darauf vor, später Grenzen anderer respektieren zu können.

Das heißt, Du musst nicht auf die alten Meinungen hören, dass ein Baby mit sechs Monaten oder gar früher schon anfangen sollte, auf Verbote zu hören. Sondern Du kannst diese nach Möglichkeit einfach umgehen.

Wir hatten unsere Wohnung zum Beispiel so umgestellt, dass es keinen Ort gab, der aus irgendeinem Grund gefährlich war. Unser Baby konnte Krabbeln und alles erforschen, ohne in Gefahr zu sein und ohne, dass etwas zu Bruch gehen konnte. Geholfen haben uns dabei hohe Regale und Schränke. Heute kann er sich ohne Probleme in einer normalen Wohnung aufhalten, ohne alles kaputt zu machen und kein Nein zu akzeptieren.

Eltern tragen die Verantwortung, Grenzen setzen hin oder her

Und vergiss nie: Egal, welche Grenzen Du setzt und wie oft ein Baby oder Kleinkind diese unter Deiner Aufsicht schon eingehalten haben mag, die Verantwortung bleibt immer bei Euch Eltern. Bis Kinder sich verbindlich an Grenzen und Verbote halten können, bis sie diese überhaupt verstehen können, müssen noch einige Jahre vergehen. Wenn Dein Baby also schon wieder am Kabel des Fernsehers gezogen hat, obwohl dieser doch herunterfallen kann und Du vor fünf Minuten erst Nein gesagt hast, dann wirst Du vermutlich irgendwann wütend. Das ist ganz normal und menschlich, aber es bringt nichts, das Baby jetzt zu bestrafen, indem Du es anschreist oder in sein Zimmer bringst. Diese Konsequenzen werden keinen echten Lerneffekt erzielen, sondern dem Kind nur Angst machen.

Vielleicht wird es irgendwann nicht mehr am Kabel ziehen. Aber nicht, weil es gelernt hat, Deine Grenzen zu akzeptieren, sondern weil es Angst vor der Bestrafung hat. Darunter leidet die Bindung zu Deinem Baby. Und diese Bindung ist es, die später dafür sorgt, dass Dein Kind auf Dich hört und Deine Grenzen zu achten versucht.

Gehe stattdessen lieber folgendermaßen vor:

  • Bring Dein Baby immer als erstes aus der Gefahrenzone.
  • Geh kurz einen Schritt zur Seite und atme tief durch.
  • Mach Dir bewusst, dass Babys ein Kurzzeitgedächtnis von nur wenigen Minuten haben.
  • Stell Dir die Frage, ob Dein Baby das wirklich getan hat, um Dich zu ärgern, oder vielleicht einfach, weil es Spaß am Entdecken und am Kabel hat.
  • Stell etwas vor das Kabel oder nimm es einfach ab für die Zeit, in der der Fernseher aus ist.

„Kinder brauchen Grenzen“ und das Thema Frustrationstoleranz

„Ja, aber muss ein Kind denn nicht lernen, mit Frustration umzugehen?“ werden sich jetzt sicherlich einige fragen. Man kann doch einem Kind nicht immer alles recht machen, dann wird es doch nie lernen, mit Rückschlägen umzugehen.

Natürlich ist die Fähigkeit, Frustration richtig zu kanalisieren wichtig. Doch ich bezweifle, dass es dazu erzieherische Grenzen benötigt.

Denn wenn Du denkst, Dein Kind hat keinen Grund, frustriert zu sein und darf ja so viel mitbestimmen, nur weil Du ihm keine künstlichen Grenzen setzt, dann sieh mal genauer hin! Jeden Tag gibt es für Babys und Kleinkinder hunderte Situationen, in denen seine Wünsche oder Bedürfnisse nicht oder nicht zu 100% erfüllt werden. Manchmal nicht einmal wahrgenommen werden. Nicht, weil irgendein Erziehungsideal dem entgegensteht, sondern weil das Leben einfach so ist. Weil es natürliche Grenzen gibt, weil Mama irgendwann an das Ende ihrer Kräfte kommt oder weil Papa morgens einfach aus dem Haus muss, um zu arbeiten.

Schon mit wenigen Wochen fangen Babys an, sich bewegen zu wollen. Die Muskeln sind dafür noch zu schwach. Wie frustrierend ist es wohl, aufstehen zu wollen und nicht zu können? Wie frustrierend ist es, dass das Wasser aus dem umgekippten Becher einfach herausläuft und nicht zurück? Wie gerne würde Dein Baby vielleicht mit den größeren Kindern spielen, doch diese beachten es einfach nicht?

Babys und Kleinkinder sind tagtäglich umgeben von Grenzen und Frustration. Wenn Du möchtest, dass Dein Kind lernt, mit Frustrationen umzugehen, dann sei für es da, wenn es sich darüber ärgert – und füge nicht künstlich noch weitere hinzu.

Fazit: Kinder brauchen Grenzen – aber Du musst deshalb keine Grenzen setzen

Was heißt das nun also? Ja, Babys und Kleinkinder brauchen auch Grenzen. Doch musst Du diese nicht künstlich schaffen und mit aller Strenge durchsetzen. Es reicht, wenn Du Deinem Kind hilfst, die Frustration über die vorhandenen Grenzen im Leben auszuhalten. Lenk es nicht von jeder Frustration ab oder versuche, alle natürlichen Grenzen zu beseitigen, auf die es stößt. Wenn die älteren Kinder nicht mit Deinem Kind spielen, dann ist das eben so. Es ist frustrierend – aber daran musst Du als Elternteil auch nichts ändern. Sei einfach da und begleite es, wenn es wütend ist.

Für (strenge) Erziehung bleibt im Leben Deines Kindes noch genug Zeit – nämlich dann, wenn es diese auch kognitiv erfassen und wirklich verstehen kann. In den ersten zwei Jahren kannst Du natürlich gewisse Verbote und Regeln aufstellen und musst dies auch, denn ohne geht kein Zusammenleben. Aber mit echtem Verständnis und Lerneffekt hat das nichts zu tun.

Und Du musst keine Sorge haben, dass ein zu wenig an gesetzten Grenzen Deinem Kind in seiner Entwicklung schadet – im Gegenteil, je weniger künstliche Grenzen, desto weniger negative Erfahrungen. Und umso stabiler ist eure Eltern-Kind-Beziehung, die nach neueren Erkenntnissen die Grundlage für jeglichen Erziehungserfolg darstellt.


Quellen:

  • Ekkehard von Braunmühl: Antipädagogik. Studien zur Abschaffung der Erziehung. Tologo, 2006.
  • Miriam Gebhardt: Die Angst vor dem kindlichen Tyrannen: Eine Geschichte der Erziehung im 20. Jahrhundert. DVA, 2009.
  • https://www.eltern.de/kleinkind/erziehung/verbieten-erziehung.html

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Ein Kommentar zu Grenzen setzen bei Baby und Kleinkind – muss ich das?

  1. Den Artikel „Grenzen setzen bei Baby und Kleinkind – muss ich das?“ fand ich nicht gut. Kaum informativer Inhalt, viel persönliche Einstellung des Autors.

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