Du kennst das bestimmt: Dein Baby entdeckt die Welt – und zwar vorwiegend mit dem Mund! Plötzlich wandert alles direkt zwischen die Lippen – sei es die eigene Faust, ein Spielzeug oder sogar Deine Handtasche. Dieses ständige „In-den-Mund-Stecken“ mag Dir vielleicht seltsam vorkommen, doch es ist ein ganz natürlicher und wichtiger Entwicklungsschritt. Die sogenannte „orale Phase“ hilft Deinem Baby, seine Umwelt besser kennenzulernen und sensorische Erfahrungen zu sammeln. Warum das so ist, wann die orale Phase beginnt und wie Du Dein Kind sicher durch diese spannende Zeit begleiten kannst, erfährst Du in diesem Beitrag.
Orale Phase: Warum sie für die Entwicklung Deines Babys so wichtig ist
Die orale Phase ist ein bedeutender Entwicklungsschritt in der frühen Kindheit. In dieser Zeit entdeckt Dein Baby die Welt vor allem mit dem Mund – denn dieser ist anfangs sein wichtigstes „Werkzeug“. Mit Lippen, Zunge und Gaumen tastet es sich heran und sammelt erste sinnliche Erfahrungen.
Stell Dir vor, Dein Baby nimmt einen kalten Metalllöffel oder ein weiches Kuscheltier in den Mund: Es lernt dabei, dass sich Gegenstände ganz unterschiedlich anfühlen können – mal glatt und kühl, mal weich und warm, mal rau oder hart. Durch diese Erkundungen entwickelt es nicht nur seine Sinne weiter, sondern beginnt auch, sich die Welt auf eigene Weise zu erschließen.
Sinneserfahrung, Zahnen & Sprachentwicklung fördern
Diese Form des Erkundens mit dem Mund ist keine bloße Spielerei. Wenn Dein Baby in seiner oralen Phase zum Beispiel auf einem Beißring herumkaut, hilft ihm das nicht nur beim Zahnen, sondern auch dabei, die Muskeln im Mund zu trainieren. Diese sind später für das Sprechen wichtig.
➜ Beißringe, Rasseln und Greiflinge sind also nicht nur hübsches Baby-Spielzeug zur Beschäftigung, sondern fördern Babys Entwicklung, indem sie verschiedene Sinne ansprechen.
Durch das ständige „Probieren“ mit dem Mund erkennt Dein Baby Unterschiede zwischen den Materialien, wie Holz, Stoff oder Plastik. Es merkt sich, was sich angenehm anfühlt und was vielleicht eher ungewohnt oder unangenehm ist.
Nuckeln und Knabbern: Die orale Phase ist individuell
Manche Babys sind besonders neugierig und stecken sich fast alles in den Mund, um herauszufinden, wie es sich anfühlt. Andere sind zurückhaltender und erkunden ihre Umgebung auch viel mit den Händen oder Augen. Es ist ganz normal, wenn die orale Phase bei einigen Babys weniger stark ausgeprägt oder schneller vorbei ist als bei anderen. Jedes Kind hat seinen eigenen Weg, die Welt zu entdecken, und das ist völlig in Ordnung.
Wenn Du also siehst, wie Dein Baby mal wieder seine Faust oder ein Spielzeug in den Mund steckt, dann sei beruhigt: Es lernt gerade mit vollem Einsatz – und das auf seine ganz eigene, wunderbare Weise!
Was hat Sigmund Freud mit der oralen Phase zu tun?
Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, hat die orale Phase als Teil seiner Theorie der psychosexuellen Entwicklung beschrieben. Laut Freud durchlaufen Kinder verschiedene Phasen, in denen bestimmte Körperregionen im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stehen.
In den ersten Lebensmonaten ist das der Mund – und deshalb nannte er diese Zeit die „orale Phase“. Freud glaubte, dass Babys in dieser Phase hauptsächlich dadurch Zufriedenheit finden, dass sie saugen und lutschen. Der Mund sei dabei nicht nur wichtig für die Nahrungsaufnahme, sondern auch eine Quelle von Freude und Wohlbefinden.
Freud ging noch weiter und meinte, dass die Erfahrungen, die ein Kind in dieser Phase macht, später das Verhalten und die Persönlichkeit beeinflussen könnten. Für ihn war es wichtig, dass das Baby genug Gelegenheiten hat, diese „orale Befriedigung“ zu erleben. Andernfalls, so dachte er, könnten daraus später Probleme entstehen, wie eine Neigung zu übermäßigem Essen oder Rauchen.
Die moderne Sichtweise ist jedoch etwas anders. Heute sehen viele Experten die orale Phase nicht mehr als eine Zeit, die mit späteren Persönlichkeitsproblemen verbunden ist. Stattdessen betonen sie, dass Babys einfach ihren Mund als wichtiges Werkzeug nutzen, um die Welt zu entdecken.
Orale Phase beim Baby: Wie lange dauert sie?
Es gibt keinen einheitlichen Startzeitpunkt, wann die orale Phase beim Baby beginnt. Manche Eltern berichten, dass sie bei ihrem Baby bereits mit 3 Monaten startete. Andere sprechen davon, dass es erst mit 6 Monaten losging.
- Orale Phase ab wann? – In der Regel geht die orale Phase zwischen dem 4. und 7. Lebensmonat los.
- Orale Phase Dauer? – Die orale Phase beim Baby kann bis zu 18 Monate dauern.
Orale Phase dauert sehr lang
Sollte Dein Kind die orale Phase mit 3 Jahren noch immer nicht abgeschlossen haben, dann könnte dies ein Hinweis auf eine Entwicklungsverzögerung oder andere Ursachen sein. In diesem Fall solltest Du mit dem Kinderarzt sprechen, um mögliche Gründe zu untersuchen.
Keine orale Phase?
Vielleicht fragst Du Dich um den 5. Lebensmonat: „Hat mein Baby die orale Phase etwa ausgelassen?“ Keine Sorge, es ist ganz normal, wenn manche Kinder erst mit 6 oder 7 Monaten beginnen, ihre Umgebung mit dem Mund zu erkunden. Manchmal ist die orale Phase so dezent ausgeprägt, dass sie kaum auffällt – oder Du hältst sie vielleicht für ein Anzeichen des Zahnens. Auch das ist völlig in Ordnung, denn jedes Baby entwickelt sich in seinem eigenen Tempo.
Störungen und Folgen
Die orale Phase ist ein natürlicher Teil der kindlichen Entwicklung. Manche Theorien, wie die von Sigmund Freud, legen nahe, dass Störungen oder Unterbrechungen in dieser Phase später zu bestimmten Verhaltensweisen führen könnten. Dazu zählen:
- Rauchen
- Nägelkauen
- Übermäßiges Essen
Diese Verhaltensweisen werden als „orale Ersatzhandlungen“ bezeichnet. Allerdings gibt es in der modernen Forschung keine eindeutigen Beweise dafür, dass Schwierigkeiten in der oralen Phase direkt zu solchen Verhaltensmustern im Erwachsenenalter führen. Viele Experten sind überzeugt, dass solche schlechten Gewohnheiten durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden, darunter:
- Genetische Veranlagung
- Umweltbedingungen
- Individuelle Erfahrungen
Es ist daher wichtig, die Entwicklung Deines Kindes in ihrer Gesamtheit zu betrachten und nicht allein auf frühkindliche Phasen zu fokussieren. Wenn Du Dir Sorgen über bestimmte Verhaltensweisen machst, ist es ratsam, einen Kinderarzt zu konsultieren.
Sicherheit: So schützt Du Dein Baby vor Gefahren
So spannend die orale Phase beim Baby auch ist – sie bringt nicht nur neue Erfahrungen, sondern auch gewisse Risiken mit sich. Denn wenn Babys alle möglichen Gegenstände in den Mund stecken, besteht die Gefahr, dass sie sich verschlucken, verletzen oder mit schädlichen Materialien in Kontakt kommen. Deshalb lohnt es sich, gut hinzuschauen und Babys Umgebung so zu gestalten, dass es sicher auf Entdeckungsreise gehen kann.
Was Dein Kind nicht in den Mund nehmen sollte
Um Verletzungen oder Vergiftungen zu vermeiden, bewahre folgende Gegenstände außerhalb der Reichweite Deines Kindes auf:
- Scharfe oder spitze Gegenstände: Halte Dinge wie Messer, Scheren oder spitze Spielsachen immer außer Reichweite – schon eine kleine Unachtsamkeit kann zu schmerzhaften Verletzungen führen.
- Kleinteile und Verschluckbares: Münzen, Knöpfe, Perlen oder andere Kleinteile landen schnell im Mund und können zur echten Erstickungsgefahr werden. Am besten gleich wegräumen, bevor Dein Baby sie entdeckt.
- Heiße Getränke und Speisen: Ein umgestoßener Kaffeebecher oder heißer Brei kann schnell zu Verbrennungen führen. Achte darauf, heiße Dinge nicht in Baby-Nähe abzustellen.
- Putzmittel, Medikamente & Co.: Alles, was chemisch ist oder nicht in Kinderhände gehört, gehört sicher verschlossen in einen Schrank, am besten mit Kindersicherung.
- Zimmerpflanzen mit Risiko: Viele Pflanzen sehen harmlos aus, sind aber giftig, wenn Dein Baby daran knabbert. Überprüfe Deine Pflanzen und stelle riskante Exemplare lieber außer Reichweite oder verleihe/verschenke sie.
Laut Deutschem Ärzteblatt werden jährlich 180.000 Fälle in der Giftnotrufzentrale verzeichnet. 60% davon betreffen Kinder, viele zwischen 9 Monaten und 4 Jahren alt. Die häufigste Ursache ist das Verschlucken von Haushaltsreinigern und Medikamenten.
Es ist daher wirklich wichtig, dass Du gefährliche Substanzen sicher verwahrst und den Wohnbereich regelmäßig auf mögliche Gefahrenquellen überprüfst.
- Mit einem Türschutzgitter kannst Du Dein Baby von bestimmten Wohnbereichen fernhalten, die eine Gefahr für Dein Kind darstellen könnten.
- Schubladen- und Schranksicherungen sorgen dafür, dass Dein Baby in der oralen Phase (und danach) nicht an gefährliche Gegenstände und Substanzen herankommt.
Hygienemaßnahmen in der oralen Phase
Da Babys in der oralen Phase vieles in den Mund nehmen, ist Hygiene sehr wichtig. Dazu gehören:
- Regelmäßiges Reinigen von Spielzeug: Wasche Spielzeuge regelmäßig mit warmem Wasser und milder Seife.
- Hände waschen: Wasche die Hände deines Babys regelmäßig, insbesondere nach dem Spielen.
- Saubere Umgebung: Halte den Spielbereich sauber, um den Kontakt mit Schmutz und Keimen zu minimieren.
Diese Maßnahmen helfen, das Risiko von Infektionen zu reduzieren und fördern eine gesunde Entwicklung.
Erste Hilfe und Tipps für die orale Phase
Trotz aller Vorsicht kann es zu Unfällen kommen. Daher ist es wichtig, vorbereitet zu sein:
- Erste-Hilfe-Kasten: Stelle sicher, dass ein gut ausgestatteter Erste-Hilfe-Kasten im Haushalt vorhanden ist.
- Notrufnummern: Notiere Dir wichtige Telefonnummern, wie den Giftnotruf Deiner Region und den allgemeinen Notruf (112).
- Erste-Hilfe-Kurse: Besuche einen Erste-Hilfe-Kurs für Säuglinge und Kleinkinder, um im Notfall richtig reagieren zu können. Informationen dazu bietet das Deutsche Rote Kreuz.
Hier ist ein hilfreiches Video zu Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Babys und Kindern:
Tipps und Tricks: So unterstützt Du Dein Baby in der oralen Phase
Um den natürlichen Erkundungsdrang Deines Babys in der oralen Phase zu unterstützen, bieten sich folgende Möglichkeiten an:
- Beißringe: Speziell für die Zahnung entwickelt, lindern sie Schmerzen und sind sicher zum Kauen.
- Zahnungshilfen: Gekühlte Zahnungshilfen können zusätzlich beruhigend wirken.
- Wenn Dein Baby bereit für Beikost ist, kannst Du ihm unter Aufsicht kindgerechte Lebensmittel mit verschiedenen Texturen anbieten: Lies zu diesem Thema Laras Beitrag zum Fingerfood für Babys. Die unterschiedlichen Texturen von weichen Obststücken oder Brotkrusten finden Babys in der oralen Phase besonders interessant.
Achte darauf, dass Gegenstände zum Spielen nicht verschluckt werden können. Lebensmittel müssen für das jeweilige Alter Deines Babys und seinen Entwicklungstand geeignet sein.
Fazit: Die orale Phase beim Baby – ein wichtiger Meilenstein
Die orale Phase mag für Eltern manchmal anstrengend sein, wenn das Baby alles, was ihm in die Finger kommt, in den Mund steckt. Doch dieser Abschnitt ist ein ganz natürlicher und wichtiger Teil der Entwicklung Deines Kindes. Dein Baby lernt auf diese Weise spielerisch seine Welt kennen und entwickelt dabei motorische sowie sensorische Fähigkeiten, die ihm später zugutekommen.
Auch wenn Du bisweilen besorgt bist, sei beruhigt: Mit den richtigen Vorsichtsmaßnahmen und ein wenig Geduld kannst Du diese spannende Zeit gut begleiten. Dein Kind wird die orale Phase ganz von allein hinter sich lassen, sobald es bereit für die nächste Entwicklungsstufe ist. Freu Dich auf diese besondere Zeit! Sie ist eine schöne Gelegenheit, Dein Baby beim Entdecken der Welt zu begleiten. Denn am Ende zählt primär Eines: Dein Kind entwickelt sich gesund und neugierig!
Quellen:
- Britannica: „Oral stage“
- DocCheck Flexikon, Dr. Frank Antwerpes, cand. med. Leandro Solano Bauer, Fiona Walter, Christoph Schad, Anne Maushagen: „Orale Phase“
- Remo H. Largo: „Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren“, 3. vollständig überarbeitete Neuauflage. München. Piper Verlag 2018
- Deutsches Ärzteblatt, Protschka, Johanna: „Vergiftungen bei Kindern: Hohes Risiko für die Kleinsten“
Mehr Infos dazu findest Du hier.
Huhu ich würde gerne deine Seite in meine Jahresarbeit miteinfliessen lassen (anerkennungsjahr zur Erzieherin) und bräuchte bei Autor (Quellenangabe) deinen vollständigen Namen. Wenn du mir diesen nicht sagen möchtest schreibe ich „o.v.“ bedeutet ohne Verfasser. Jedoch würde es meine Quelle mit vollem Name glaubhafter erscheinen lassen. Vielen lieben Dank dir!
Mona Betz
Hallo Mona. Sehr gerne. Simone Nestvogel ist mein Name :) Alles Gute für Dich!