Junge oder Mädchen?


    Neulich im Baumarkt flirtete unser Bub (10 Monate) mit der Kassiererin worauf sie zuckersüß reagierte: „Na Du bist aber eine Fröhliche! Wie hübsch Du lachst. Und schau mal wie gut Du schon stehen kannst, na Du bist aber eine flotte Biene!“ Ich ließ sie in dem Glauben, dass der Knabe ein Mädchen ist (ihn stört es ja noch nicht) und wunderte mich nur, warum sie sich so sicher war. Denn eigentlich schaut er aus wie ein „richtiger“ Junge und nur wenn er die pinkfarbenen Baby-Stoppersocken seiner Schwester trägt oder die weißgepunktete Kapuzenjacke aus ihrer Babyzeit, werde ich häufig gefragt: „Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“ Diese Frage fasse ich als wertfreien Auftakt zum Smalltalk auf und antworte gerne darauf. Denn die meisten (vor allem älteren Menschen) sind entzückt von kleinen Babys, wissen aber bei der Kontaktaufnahme nicht so richtig was sie sagen bzw. fragen sollen. Was mich allerdings nervt sind geschlechterspezifische Aussagen und Prognosen. Wenn mir die Leute beispielsweise erklären wollen wie lieb Mädchen und was Jungs für Raufbolde sind. Oder dass Jungs nicht weinen „brauchen“, weil echte Kerle so etwas nicht machen. Wenn Jungs keine weiblichen Eigenschaften haben dürfen und Mädchen keine „männliche Verhaltensweisen“. Denn unser Mädchen war circa 1,5 Jahre (vom 1. Geburtstag bis 2,5 Jahre) ein richtiger „Haudegen“ – sie attackierte gleichaltrige Kinder und benahm sich auch sonst in vielerlei Hinsicht eher wie ein Bub. Sie ist mutig und stark, ein fitter Sportler, sie macht ihrem Ärger lautstark Luft und sie spielt gerne den Anführer. Von einem „typischen Mädchen“ wie die Leute es gerne definieren also keine Spur. Davon abgesehen versuche ich meine Kinder gleichermaßen – sprich unabhängig von ihrem Geschlecht – an das Leben und so auch an bestimmte Arbeiten im Haus heranzuführen. Das Mädchen half mir immer gerne beim Abwaschen und Putzen, aber sie findet es auch super, wenn wir gemeinsam Holz sägen und ein Regal zusammenschrauben. Der Bub nimmt gerne unseren Werkzeugkasten auseinander, aber er kocht auch mit Vorliebe in seiner kleinen Küche (die neben unserem Herd steht), wenn ich für uns Essen zubereite. Im Gegensatz zu meinen Eltern lasse ich unsere Kinder gleichermaßen an all unseren Tätigkeiten teilhaben – meine Schwestern und ich, wir durften nämlich nur Tätigkeiten im Haushalt verrichten, während unser Bruder beim Hausbau helfen durfte. Das fand ich damals echt unfair, weil ich abwaschen viel langweiliger finde, als handwerkeln. Was das Spielzeug anbelangt, stelle ich meinen beiden Rackern in den ersten Jahren das Gleiche zur Verfügung. Hier gibt es eine bunte Mischung aus Bauklötzen, Autos, Puppen, Musikinstrumenten und Bewegungsfahrzeugen, so dass beide die Möglichkeit haben, sich das herauszupicken, was sie gerne mögen. Sobald sie anfangen Wünsche zu äußern – meine Tochter wollte neulich unbedingt ein pinkes Einhorn – werden diese (so fern sie realistisch sind) erfüllt. Mir geht es dabei nicht darum, geschlechtslose Kinder aus ihnen zu machen. Ganz im Gegenteil finde ich es spannend, wie unterschiedlich die beiden in manchen Belangen spielen. Der Bub beschäftigt sich beispielsweise viel länger und intensiver mit Bällen (kickt sie sogar schon mit dem Fuß), als unser Mädchen das je gemacht hat. Aber ich möchte ihrer Neugier gerne freien Lauf lassen und ihre persönlichen Fähigkeiten fördern, statt sie unnötig in ihrem Entdeckerdrang einzuschränken, nur weil Haushalt beispielsweise „Weiberkram“ ist und das Reparieren von technischen Geräten „Männersache“. Glücklicherweise sieht Thomas das genau so wie ich und er werkelt gerne mit seinem Mädchen. Und glücklicherweise hat er nichts dagegen, wenn ich dem Bub die rosanen Stoppersocken seiner Schwester anziehe und die Leute ihn aufgrund dessen für ein Mädchen halten :)  

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