Unsichtbare Krankheit: Histaminintoleranz


Von dieser Krankheit hast du noch nie etwas gehört? Ich auch nicht, bis ich herausfand, dass ich darunter leide. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich einen jahrelangen Leidensweg hinter mir, wie übrigens die meisten Betroffenen. Was genau sich dahinter verbirgt, ist gar nicht so einfach zu verstehen – ich versuche es trotzdem mal zu erklären.

Was ist eine Histaminintoleranz (HIT)?

Hinter diesem langen Wort verbirgt sich eine Enzymschwäche. D.h. im Darm des Betroffenen ist das Enzym, das Histamin aus der Nahrung aufspaltet und damit unschädlich macht, nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Die Gründe dafür können vielfältig sein, das Ergebnis ist immer dasselbe: das Histamin gelangt an einem Punkt im Darm, an dem es längst eliminiert sein sollte, in die Blutbahn und kann so verschiedenste Symptome auslösen. Histamin ist nämlich der Botenstoff, den der Körper bei einer allergischen Reaktion ausschüttet – und wenn die Konzentration im Blut einen bestimmten Wert übersteigt, leiden Histaminintolerante unter genau diesen Symptomen. Sehr häufig sind Kopfschmerzen, Hautausschlag, juckende oder trockene Haut, Durchfall, Übelkeit, Blähungen und Bauchschmerzen.

Frauen in und nach den Wechseljahren leiden besonders häufig an der Enzymschwäche, aber auch immer mehr junge Menschen sind davon betroffen. Im Extremfall kann eine Histaminintoleranz übrigens sogar zu einer Berufsunfähigkeit führen.

Welche Nahrungsmittel darf man nicht mehr essen?

Histamin ist ein biogenes Amin, das in vielen Nahrungsmitteln natürlicherweise enthalten ist, aber in besonders hohem Maße gebildet wird, wenn etwas gärt, verdirbt, oder reift. Deshalb sind Dinge wie Hartkäse, Wein, Bier, Essig, Sauerkraut und Hefe auch tabu. Auch Tomaten, Avocado, Aubergine oder Fisch enthalten viel Histamin. Leider lässt sich ansonsten keine pauschale Liste erstellen, die für alle Betroffenen gilt. Denn was der eine gut verträgt, treibt beim anderen das Histaminlevel nach oben. Wer also die Diagnose Histaminintoleranz erhält, der muss langsam für sich herausfinden, was und wieviel davon er essen kann, ohne die Auswirkungen zu spüren.

Wie wird eine Histaminintoleranz diagnostiziert?

Oft wird die Erkrankung leider gar nicht diagnostiziert. Betroffene, die sich zu einem vermeintlichen Spezialisten begeben, werden zunächst auf alle möglichen Allergien getestet – die Symptome sind ja zum verwechseln ähnlich. Danach werden die gängigen Intoleranzen, sprich Gluten, Fructose und Laktose getestet. Meist ohne Ergebnis. Im nächsten Schritt folgt eine Darm- bzw. Magenspiegelung. Keine angenehme Sache. Wenn auch hier keine Erkrankung festgestellt wird, lautet die Diagnose: Reizdarm. Was genau ein Reizdarm ist, weiß niemand. Das ist, als würde man einem Menschen mit Gehirntumor Kopfschmerzen diagnostizieren. Es gibt eindeutige Symptome, aber die Ursache ist das nicht.

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Wer allerdings Glück hat oder nicht aufgibt, der findet einen Arzt, der die Krankheit kennt und entsprechende Tests anleitet. Meist gibt ein Bluttest Hinweise auf das Vorliegen der Erkrankung – hier findet sich nämlich ein Abbauprodukt des Enzyms DAO (Diaminoxidase), das für den Histaminabbau verantwortlich ist. Je niedriger die Konzentration im Blut, desto höher die Wahrscheinlichkeit auf eine Histaminintoleranz. Allerdings ist es schwierig, eine definitive Aussage zu treffen, da der Blutwert auch von der Ernährung in den Tagen vorher abhängig ist. Wer sich schon histaminfrei ernährt, wird wahrscheinlich einen niedrigeren Wert haben.

Mein Weg zur Diagnose

Bei mir lief es ganz ähnlich. Mit Anfang 20 ging es mir schleichend immer schlechter. Ich stellte irgendwann fest, dass mein Zustand irgendetwas mit meiner Ernährung zu tun hatte und suchte einen Gastroenterologen auf. Einen Spezialisten also. Der führte alle gängigen Tests durch, kam aber zu keinem Ergebnis. Irgendwann gab es keine Tests mehr und ich war mit der Problematik alleine. Mein Zustand verschlechterte sich weiter. Ich war immer müde, schlapp, hatte Kopf- und Gelenkschmerzen, Hautausschläge und extrem trockene Haut. Mir war immer übel, phasenweise aß ich fast gar nichts mehr. Was ich auch versuchte, es wurde nicht besser. Nach vielen, vielen Monaten kam eine Nachricht von meiner besten Freundin, die Medizin studierte, mit einem Link zu einem Artikel im focus online Magazin: „Histaminintoleranz – die unentdeckte Krankheit“. Dort wurde ein Selbsttest empfohlen: 2 Wochen nur Reis und Kartoffeln. Bei einer starken Besserung war eine HIT sehr wahrscheinlich. Ich aß also fast 2 Wochen nichts anderes und fühlte mich gut wie lange nicht mehr. Ich vereinbarte einen Termin bei besagtem Spezialisten und bat um einen Bluttest, den man übrigens selbst zahlen muss. Er wollte nicht. Ich hätte einen Reizdarm und solle künftig nur noch leicht verdauliche Nahrung zu mir nehmen. Zum Glück war ich hartnäckig und bestand auf den Bluttest. 2 Wochen später flatterte ein Arztbrief ins Haus, in dem mir eine Histaminintoleranz diagnostiziert wurde. Ich solle zur Ernährungsberatung kommen. Der Mann hat mich nie wieder gesehen.

Der Weg aus der Krankheit

Auch mit der Gewissheit, worauf man achten muss, ist das Leben mit HIT nicht einfach. Bei mir hat es Jahre gedauert, bis sich alles eingependelt hatte – bis ich wusste, was ich vertrage und was nicht und bis sich mein Körper von den Mangelerscheinungen und drohendem Untergewicht erholt hatte. Den Wendepunkt brachte ein Aufenthalt in einer Klinik für Umwelterkrankungen im Bayerischen Wald. Innerhalb weniger Wochen wurde nicht nur ein individueller Ernährungsplan erstellt, sondern mein Organismus mit Vitaminen und Nährstoffen in Tabletten- und intravenöser Form unterstützt. Von da an ging es langsam, ganz langsam bergauf. Nach einigen Jahren konnte ich wieder fast normal leben. Ich hatte einen Vollzeit-Job, den ich sehr gut und ohne Fehltage ausfüllte. Ich fing an, mich wieder bei Freunden zu melden, die mich jahrelang nicht zu Gesicht bekommen hatten und wieder Freude am Leben zu haben. Mein Mann und ich zogen nach Berlin, wo wir nochmal eine ganz neue Welt erkunden konnten.

Meine Histaminintoleranz seit der Schwangerschaft

In den ersten 11 Wochen war mir ziemlich übel, aber dann passierte etwas ganz Wunderbares: meine Erkrankung war einfach weg! Ich konnte plötzlich wieder alles essen, worauf ich so viele Jahre verzichtet hatte! Pizza, Burger, Tomaten, Avocado, Schokolade, Käse! Alles kein Problem mehr. Anscheinend produziert die Plazenta einer Schwangeren ein Hundertfaches an Enzymen, um den Embryo zu schützen. Und diese Enzyme kamen auch mir zu Gute. Kulinarisch genoss ich die Schwangerschaft also in vollen Zügen. Aber es kam noch besser: bis heute, und mein Baby ist jetzt 9 Monate alt, ist die Enzymschwäche nicht zurückgekehrt. Wenn man den Berichten anderer Betroffener glaubt, bleibt sie so lange weg, wie ich mindestens alle 5-6 Stunden stille. Ich denke, mein Kind wird sich von Muttermilch ernähren, bis er auszieht…

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Ein Kommentar zu Unsichtbare Krankheit: Histaminintoleranz

  1. Hi liebe Hanna :), ein toller Bericht. Vielen lieben Dank dafür!
    Spannenderweise hatte ich auch fast den gleichen Hergang. Der Teil mit „Mit Anfang 20 ging es mir schleichend immer schlechter. Ich stellte irgendwann fest, dass mein Zustand irgendetwas mit meiner Ernährung zu tun hatte…“ ist 1-1 das gleiche bei mir. Schon irgendwie spannend! Nur das all die Hausärzte mich nur einmal zur Darm und Magenspiegelung geschickt hatten und gut wars. Dann war Ratlosigkeit bis ich dann einen Darmverschluss hatte. Leider merke ich grad nur hin und wieder in meiner Schwangerschaft, dass ich wieder etwas mehr ausprobieren kann. Hackfleischsoße war auf einmal ok und ich hatte Appetit, nur um dann zwei Tage später wieder Durchfall zu haben und zu merken das ich am besten GAR NICHTS ausprobiere. Vielleicht produziert meine Plazenta nur hin und wieder genug Enzyme? Auf jeden Fall war ich etwas traurig, hatte ich doch schon eine kleine Liste an Leckereien die ich mir dann über die Schwangerschaft hindurch gönnen wollte :D..

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