Geburtsbericht Kaiserschnitt


Mein Ältester wurde kürzlich eingeschult. Da wird man als Mama zwangsläufig sentimental und ich blätterte am Abend des ersten Schultags sein Babyalbum durch. „Kann doch nicht sein, dass der schon in die Schule geht“, dachte ich beim Anschauen der Fotos mit dem winzigen Knirps darauf. Winzig liegt dabei im Auge des Betrachters, denn so richtig klein war er eigentlich nie. Bei seiner Geburt brachte er ein stolzes Gewicht von 4020 g auf die Waage. Dort entstand auch das erste Bild von ihm – das habe natürlich nicht ich, sondern mein Mann gemacht. Ich lag währenddessen noch auf dem OP-Tisch, denn mein Großer war ein Kaiserschnitt-Kind. Hier kommt also mein Geburtsbericht zum Kaiserschnitt:

Das hatte ich so natürlich nicht geplant. Auf die Welt kommen sollte er am 15. Dezember 2007. Drei Tage vor dem errechneten Geburtstermin mehrten sich die Anzeichen dafür, dass es bald losgehen würde. Ich war unruhig und verspürte ein leichtes Ziehen im Bauch. Ich hatte absolut keine Lust mehr auf Schwangersein. Draußen war es saukalt und über meinen großen Bauch passte keine Jacke. Ich zog mich also immer in Schichten an und fror dabei trotzdem. Ich beschloss die Geburt ein bisschen voranzutreiben und ging am Morgen zu Fuß zum Einkaufen. Ich schleppte 2 schwere Taschen heim und putzte danach noch ein bisschen die Wohnung. Am frühen Abend kam mein Mann von einem anstrengenden Arbeitstag heim und schob sich eine Fertig-Pizza in den Backofen. Ich informierte ihn ein paar Minuten später, dass er den Ofen wieder ausmachen könne. Ich wollte dem Ziehen im Bauch auf den Grund gehen.

Motorschaden auf dem Weg ins Krankenhaus

Am Telefon erklärte mir die nette Bereitschaftshebamme im Krankenhaus, dass ich vermutlich nach einer kurzen Untersuchung nochmal nach Hause könne. Das seien wahrscheinlich noch keine ernstzunehmenden Wehen – die Tasche fürs Krankenhaus nahmen wir vorsichtshalber trotzdem mit. Wie sich herausstellte, war das eine weise Entscheidung, denn der Abend sollte noch ziemlich turbulent werden. Auf dem Weg zum Krankenhaus gab unser Auto nahezu filmreif den Geist auf. Wir hatten den Motor im Verdacht und rollten mit Ach und Krach auf eine freie Fläche in Sichtweite. Mein Mann bekam Panik. Ich ebenfalls. Ich malte mir aus, wie die Polizei auf den Wagen reagieren würde. „Steigen Sie mal aus. Sie stehen im Parkverbot!“ würden sie unfreundlich sagen. Und ich würde antworten. „Ich kriege gleich mein Baby! Ist mir doch egal, wo ich stehe!“ Daraufhin würde man mich mit einer Polizeieskorte ins Krankenhaus bringen. So hatte ich mir das absolut nicht vorgestellt! Zum Glück kam es auch anders. Während mein Mann seine Schwester anrief, die in der Nähe wohnte, malte ich ein Schild, das heute zusammen mit den Babyfotos im Fotoalbum klebt. „Motorschaden – bitte nicht abschleppen!“ steht umrahmt von einem Dreieck darauf. Ich legte das Schild hinter die Windschutzscheibe und wartete ungeduldig das Eintreffen meiner Schwägerin ab. Dank des Stresses hatte sich das Ziehen im Bauch inzwischen deutlich verstärkt.

Verrückte Ticks während der Wehen

Eine halbe Stunde später trafen wir im Krankenhaus ein und ich hatte inzwischen eindeutige Wehen. „Laufen Sie ruhig noch ein bisschen draußen herum“, rieten die Hebammen und mein Mann und ich gingen wieder an die frische Luft. Allerdings nicht lange, denn die Wehenabstände wurden kürzer und die Wehen stärker. Wieder zurück im Entbindungszimmer platzte die Fruchtblase – natürlich 2 Minuten nachdem ich mir meine Lieblings-Jogginghose angezogen hatte. Mein Mann rannte los, um die Hebamme zu holen und sie sagte mir, ich müsse mich sofort hinlegen. Mein Baby war noch nicht weit genug im Geburtskanal. Die folgenden Stunden verbrachte ich also liegend. Die Wehen nahmen zu und ich taxierte einen Heizungsregler wenn es ganz schlimm wurde. Nach Schreien war mir nicht zumute. Ich litt still vor mich hin. Einmal machte mein Mann den Fehler, sich vor die Heizung zu stellen. Ich schrie ihn an, er solle sich verziehen. Aus irgendeinem Grund musste ich diesen Regler sehen. Am Morgen fragte mich eine Schwester, ob ich evtl. duschen wolle. Mein Kind hatte sich inzwischen weiter nach unten in den Geburtskanal bewegt und ich durfte mich wieder bewegen. Ich stimmte dem Vorschlag mit der Dusche deshalb freudig zu. Dort angekommen drehte ich erstmal die Temperatur hoch, denn lauwarmes Duschen kann ich nicht leiden. Das heiße Wasser war eine absolute Wohltat für den Rücken und am liebsten hätte ich mein Baby einfach unter der Dusche bekommen. Mein Mann machte mir einen Strich durch die Rechnung, denn meine „Dampfsauna“ führte bei ihm zu Kreislaufproblemen. Der arme Kerl hatte ja jetzt auch seit Stunden nichts gegessen.

Die Kaiserschnitt-Entscheidung

Ich ging also wieder ins Entbindungszimmer – mein Kleiner ließ sich wirklich Zeit.Gegen die stärker werdenden Wehenschmerzen ließ ich mir irgendwann ein Schmerzmittel geben und verbrachte so ein paar total entspannte Wehenpausen im Drogenrausch. Mein Mann schlief währenddessen auf dem Stuhl neben meinem Bett ein. Noch etwas später war schließlich der Muttermund komplett geöffnet und ich sollte pressen. An Schlafen und Chillen war jetzt nicht mehr zu denken. Ich presste also – wobei ich dabei immer das Gefühl hatte, es nütze nichts. Das Baby wollte nicht raus. Ein Arzt wurde hinzugerufen. Inzwischen war ich mit meinen Kräften ziemlich am Ende. Der Arzt stellte fest, dass mein Kind sich in der Sternguckerposition befand. Es hatte sich quasi im Geburtskanal verkantet. In den nächsten Minuten fiel die Entscheidung zum Kaiserschnitt.

In der Schwangerschaft hatte ich Angst davor gehabt, dass es eventuell dazu kommen könnte. Dass mein Kind sehr groß werden würde, war bei jedem Ultraschall deutlich zu sehen gewesen. Damit stieg das Risiko, den Kleinen nicht komplikationslos zur Welt bringen zu können. Jetzt, im Entbindungszimmer, hatte ich vor dem Kaiserschnitt keine Angst mehr. Im Gegenteil. Ich war erleichtert. Das bedeutete, dass jetzt etwas passieren würde. Bald würde ich mein Baby in den Armen halten! Der Anästhesist wollte ein paar Minuten später, dass ich ein Formular zur Narkose unterschreibe. Die Unterschrift wurde abenteuerlich, denn ich hatte inzwischen zwischen den Wehen keine Pausen mehr. Da fällt es entsprechend schwer, einen Stift zu führen.

Sale

Die Wehen veratmen

Im OP-Saal angekommen, sagten mir die Ärzte, ich müsse jetzt mal mit dem Pressen aufhören und die Wehen „veratmen“. Sonst könne die PDA nicht richtig gesetzt werden. Auch das sagt sich viel leichter, als es ist. Gott sei Dank hatte ich eine fähige Hebamme an meiner Seite, die mir dabei half und so verrutschte die Nadel nicht und ich stellte bald fest, wie meine untere Körperhälfte ins Koma versank. Ich spürte unterhalb der Brust absolut nichts mehr und die Operation konnte losgehen. Mein Mann wurde geholt. Er hatte zwischenzeitlich mit der OP-Kluft gekämpft, die sich nicht so einfach anziehen ließ. Abgeschirmt von einer Plane machten sich die Ärzte ans Werk. Irgendwann hieß es. „Jetzt haben wir ihn gleich“ und mein Mann, der an meinem Kopfende saß, wurde gefragt, ob er einen Blick über die Plane werfen wolle. Er lehnte Gott sei Dank ab. Eine weise Entscheidung, denn bestimmt wäre er angesichts des Blutes ohnmächtig geworden. „Was für ein Brocken!“ sagte ein Arzt uncharmant, als mein Kind schließlich auf der Welt war. Ärzte, Schwestern und Hebammen um uns herum gratulierten und ich fing hemmungslos an zu heulen. Mein Mann ebenfalls.

Das Bonding übernahm mein Mann

Die ganze Anspannung der letzten Stunden fiel jetzt von uns ab. Unser Kleiner wurde mir auf die Brust gelegt und wir konnten ihn begrüßen. Er war natürlich das schönste Kind der Welt. Absolut perfekt mit einem winzigen Näschen, Knopfaugen und einem weichen Flaum auf dem Köpfchen. Leider konnte ich ihn nicht ausgiebig bewundern, denn mein Bauch musste jetzt vernäht werden. Mein Mann verließ mit dem kleinen Purzel den OP-Saal und durfte zum Bonding – das heißt, er konnte ausgiebig und mit jeder Menge Hautkontakt mit unserem Baby kuscheln. Ich wurde nach der OP, angeschlossen an Injektionslösungen und mit jeder Menge Sonden auf der Brust in ein Aufwachzimmer geschoben – ungeduldig wartete ich darauf, endlich wieder mein Baby sehen zu können. Mein Mann fuhr später am Abend heim und machte sich rund 24 Stunden nach Öffnen des Pizza-Kartons endlich seine Pizza warm.

In den folgenden Tagen schwebte ich auf Wolke 7. Ich war total verliebt in mein Kind und konnte mich gar nicht an ihm satt sehen. Die Schmerzen nach dem Kaiserschnitt hielten sich im Rahmen und alles verheilte gut. Allerdings war ich im Nachhinein ein wenig traurig, dass es mit der normalen Geburt nicht geklappt hatte. Ich war so weit gekommen – hatte mich durch 20 Stunden Wehen gequält und auf den letzten Metern hatte es dann trotzdem nicht gereicht. Wie sich herausstellte, sollte das auch nicht mein letzter Kaiserschnitt gewesen sein. Mein Purzel hat inzwischen zwei Geschwister, die auf dem gleichen Wege zur Welt kamen, aber das wusste ich damals zum Glück noch nicht.

Das war mein (durchaus positiver) Geburtsbericht Kaiserschnitt. Ich genoss damals einfach mein neues Mamasein und freute mich auf das erste Weihnachten zu Dritt.

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Ein Kommentar zu Geburtsbericht Kaiserschnitt

  1. Beneidenswert…ich habe 1972 ein Sterngucker Kind – meine sehnlichst erwartete Jana – geboren. Ich kam abends in die Klinik und wünschte mir eine baldige Geburt. Die Hebamme sagte mir, dass sie mir ein Wehen beschleunigendes Mittel gibt, machte KEINEN Einlauf und schickte mich zu Bett. Ich wartete auf die zu erwartende Zunahme der Wehen und fand keinen Schlaf. Gegen Mittag des Folgetages stellte die leitende Hebamme fest, dass mein Baby ein Sternengucker wird. Das kommt sehr selten vor und wird vom Anus her ertastet. Alle verfügbaren Studenten wurden informiert. Ohne mich um Erlaubnis zu fragen haben sie alle mich vom Anus her untersucht. Bei jeder dieser Untersuchungen bekam ich eine sehr schmerzhafte Presswehe. Man sagte mir, ich müsse damit rechnen, dass das Kind Platzwunden im Gesicht habe. Man ließ mich in allem, was die Wehen aus mir austreten ließen ( Schleim, Blut und Kot auf Grund des versäumten Einlaufes) auf einem glitschigen Bettlaken liegen. Während drei Stunden schrie ich bei den Presswehen wie ein sterbendes Tier. Bei den letzten Presswehen bemühten sich drei Hebammen um mich und holten zum Schluss noch die Putzfrau, damit sie sich von oben her auf meinen Bauch kniet. Meine Jana (Kosename Lichel) kam mit einem dermaßen entstellten Gesicht zur Welt, so dass der Vater das Kind nicht sehen durfte. Die Lippen waren so stark geschwollen, dass sie von der Nase bis zum Kinn reichten. Die geschwollenen Augen hatten die Größe von Rinderaugen. Bereits drei Tage nach der Geburt ist aus meinem entstellten Sternengucker das schönste Baby der Station geworden. Sechs Tage nach der Geburt – normalerweise nimmt ein Baby nachgeburtlich ab – hatte Jana bereits 240 g zugenommen.

    Nun – Jana hatte vor wenigen Tagen ihren 51. Geburtstag – muss ich ohne JEDES Verständnis dafür berichten, dass in den 20 Stunden der Geburt niemand nach mir sah, mir wurde keine Hand gehalten, der Rücken massiert oder beim Atmen geholfen. Ich blieb ohne Essen und Trinken. Es grenzt an ein Wunder dass ich mir nach dem Trauma dieser Geburt Zwillinge wünschte (und sie auch bekam). Auch tat es glücklicherweise meiner Liebe zu meinem Sternengucker keinen Abbruch!

    Ergänzung: die Geburt meiner Zwillinge (beide Steisslagen) war – verglichen mit der Geburt meines Sfernenguckers – ein Waldspaziergang! Im Übrigen gab es zu den Zeiten der Geburten (1972 bzw. 1978) weder Sonographie noch PDA.

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