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Stilldemenz: Deshalb ist sie gut für Dein Baby


Fast jede Frau macht im Laufe der Schwangerschaft die Erfahrung, dass sie vergesslicher, schusseliger und einfach ein wenig „verpeilter“ wird. Ich sage in meinen Geburtsvorbereitungskursen oft, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist. In der Stillzeit fängt es erst so richtig an! Aber was ist dran an diesem Phänomen, das oft augenzwinkernd als Stilldemenz bezeichnet wird? Wie kannst Du im Alltag mit der Stilldemenz umgehen? Und warum ist die Vergesslichkeit in der Stillzeit gut für Dein Baby? Diese Fragen möchte ich heute mit Dir klären.

Hat Stilldemenz etwas mit Demenz zu tun?

Die wissenschaftliche und medizinische Antwort ist ganz klar: Nein, das hat sie nicht.

Denn der Begriff „Demenz“ wird hier völlig falsch verwendet und ist wie zuvor schon gesagt, eher als augenzwinkernde Neckerei zu sehen. Natürlich soll das keinesfalls eine Verharmlosung einer sehr schlimmen, für Betroffene und Angehörige sehr belastenden Erkrankung sein, es ist lediglich ein Begriff, der sich aufgrund seiner Aussagekraft für diese mütterliche Verpeiltheit durchgesetzt hat, weil er schön beschreibt, wie manche Frauen diesen Zustand erleben.

Der Begriff „Demenz“ ist schlichtweg auch deswegen falsch, weil es sich wirklich um einen zeitlich begrenzten Zustand handelt und Untersuchungen nach einem, bzw. zwei Jahren zeigen, dass der Ausgangszustand komplett wiederhergestellt ist.

Stilldemenz ist keine Krankheit

  • Schwangerschafts- und Stilldemenz ist keine Krankheit, im Hirn messbar verändert sich nichts. Hirnströme per EEG, MRT etc. sehen komplett normal und gesund aus.
  • Nach dem Abstillen normalisiert sich der Zustand ebenfalls relativ schnell und es gibt keinerlei Folgeschäden.
  • Auch Frauen, die gar nicht erst mit dem Stillen beginnen, sind betroffen: Sie beschreiben Symptome wie Vergesslichkeit in den ersten Wochen nach der Geburt ebenso wie stillende Mütter.
  • Sogar Männer werden in der ersten Zeit mit Baby schusseliger.

Stilldemenz: Der ganz normale Alltag einer Hebamme

Wenn man die Sache weniger wissenschaftlich betrachtet und Du mich fragst : „Gibt es Veränderungen in der Schwangerschaft und Stillzeit, von denen viele Frauen berichten und die mit Vergesslichkeit, Schusseligkeit und mangelnder Aufmerksamkeit einhergehen?“ Dann ist meine Antwort als Hebamme, die täglich mit Frauen im Wochenbett zu tun hat: Ja, die gibt es unbedingt.

Und ich habe in meinem Arbeitsalltag wirklich viele Erlebnisse, die sich nur durch Stilldemenz erklären lassen:

 
  • Da kommt Montag Abend ein Anruf von einer leicht angesäuerten Wöchnerin “ Wo bleibst Du denn, wir hatten doch Dienstag gegen 18.00 Uhr ausgemacht“. Oder ich stehe trotz Termin vor verschlossener Tür, weil die frischgebackene Mama völlig vergessen hat, welcher Wochentag ist und für wann der nächste Hausbesuch ausgemacht war und gerade selig ihr Kind spazieren fährt.
  • Ich erinnere mich auch noch gut an eine sehr schöne Begegnung in einem großen Biergarten, der bei tollem Wetter ordentlich besucht war. Eine Frau, die ich betreut hatte, schoss durch die Menschenmenge auf mich zu, um mir Hallo zu sagen…. und hatte vergessen, nach dem Abdocken des Kindes ihre Brust erstmal wieder „einzupacken“, was ihr erst im Laufe des Gesprächs auffiel.
  • Auch Schwangere im Geburtsvorbvereitungskurs erzählen immer wieder die herrlichsten Geschichten, da werden Mozarella-Verpackungen auf die Pizza gelegt und der Käse weggeschmissen oder Kaffeemaschinen angeschaltet, ohne dass eine Tasse drunter steht. All diese kleinen „Verpeiltheiten“ sind in der Schwangerschaft und auch in der Stillzeit völlig normal und ich glaube wirklich, dass fast jede Frau eine derartige Geschichte ezählen kann.

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Stilldemenz: Woher kommt dieses Phänomen?

Ich denke, es ist eine Kombination aus mehreren Dingen, die zu der sogenannten „Stilldemenz“ führt:

1. Schlafmangel in der Stillzeit

Mit Sicherheit einer der Hauptgründe für die Schusseligkeit in den ersten Wochen und Monaten nach so einer Geburt ist der doch nicht zu unterschätzende Schlafmangel. Vor allem bei stillenden Müttern. Ein Stillkind wird in der Regel alle 2-4 Stunden zum Trinken wach. Gerade am Anfang, bis sich alles eingespielt hat, kann sich eine solche Mahlzeit auch mal eine Stunde hinziehen. Da kannst Du Dir sicher vorstellen, dass die Aufmerksamkeit tagsüber nachlässt.

 2. Hormonelle Umstellung nach der Geburt

Dass Hormone einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unser Empfinden und unser Leben haben, ist heutzutage unbestritten. Und ich denke, das kann jede Frau unterschreiben.

So eine Geburt mit anschließender Stillzeit ist eine wahre Hormonexplosion, die in Deinem Körper abläuft. Ganz wichtig sind die Hormone Oxytocin und Prolaktin, von denen viele Vorgänge in der Stillzeit abhängen. Oxytocin wird dabei auch als Bindungs- oder Liebeshormon bezeichnet, da es vermehrt durch das Stillen oder Bonding mit dem Baby ausgeschüttet wird. Es sorgt dafür, dass Du Dich in Dein Baby „verliebst“. Dieses Hormon wird auch bei frisch verliebten Paaren in Massen produziert — bei denen ist es bekanntlich mit der Konzentrationsfähigkeit ja auch nicht so weit her.

3. Verlagerung der Prioritäten mit Baby

Früher im Job konntest Du Dir problemlos zwanzig Namen beim Meeting oder die Lieblingswurst von nahezu jedem Kunden merken — und heute musst Du aufpassen, dass Du den einzigen Termin in der Woche, zu dem Du pünktlich erscheinen musst, nicht auch noch vergisst. Herzlichen Glückwunsch, Du bist Mama! Dein Fokus ist einfach woanders, oberste Dringlichkeit haben stets die Bedürfnisse und Belange des Kindes. Und alles andere schiebst Du im Kopf einfach ganz weit nach hinten, weil es JETZT einfach nicht wichtig ist.

Warum Stilldemenz gut für Dein Baby ist

Als Hebamme muss ich sagen: Ich freue mich immer darüber, wenn Frauen von ihren Erlebnissen rund um die Stilldemenz berichten. Und das nicht nur, weil es da oft etwas zu Lachen gibt.

Ich finde, die Stilldemenz sorgt auf eine ganz schöne, unaufdringliche Weise dafür, dass Frauen auch in der heutigen Zeit zumindest ein paar Wochen oder Monate lang „nur“ Mama sein dürfen. Dein Körper zeigt Dir auf sehr eindrucksvolle Art und Weise, was gerade wirklich zählt. Das sind eben nicht Termine, Zahlen und wissenschaftliche Fakten, sondern stillen, kuscheln und schlafen.

Das bedeutet auch, dass Du gegen diese Stilldemenz eigentlich nichts machen kannst. Außer zu akzeptieren, dass es jetzt gerade eben so ist und dass auch wieder andere Zeiten kommen, in denen das Gehirn wieder besser funktioniert. Du darfst auch nicht vergessen, dass wir hier nicht über einen Zustand reden, der mehrere Jahre anhält!

Dein Körper hilft Dir, Dich von allem abzuschirmen und in Deine Mamarolle zu finden, indem er Dir zeigt, dass Du für alles andere gerade eher nicht die Top-Besetzung bist. Das macht es Dir  leichter, Dich auf den Job zu konzentrieren, den gerade niemand besser machen kann als Du: Nämlich die Mama Deines Babys zu sein.

Praktische Tipps für den Alltag mit Stilldemenz

Natürlich gibt es auch in der Stillzeit Situationen, in denen Du Aufmerksamkeit und Konzentration brauchst und ein stückweit auch einfach normal „funktionieren“ musst. Diese Tipps machen Dir den Alltag als stillende und etwas verschusselte Mama leichter:

  • Schreibe Dinge auf, sobald sie Dir einfallen. Damit meine ich jetzt nicht nur den Einkaufszettel. Sondern z.B. auch einen Fragezettel, der immer parat liegt, auf den Du und Dein Partner Fragen schreiben könnt, die ihr beim nächsten Besuch der Hebamme stellen möchtet. Das hat sich in meiner Praxis super bewährt und es gerät nichts in Vergessenheit. Ebenso empfehle ich immer einen Fragezettel für die U-Untersuchungen beim Kinderarzt.  Damit Du nicht aus der Praxis kommst und Dir auf dem Heimweg all die Dinge einfallen, die Du jetzt in der Kürze der Zeit und vor lauter Stress (Sind wir pünktlich da? Finde ich einen Parkplatz? Schreit das Baby? Muss ich evtl. beim Kinderarzt stillen?) nicht geklärt hast.
  • Nehmt Termine zu zweit wahr. Gerade wenn Termine anstehen, bei denen es wichtig ist, Informationen zu erfassen, ist es sinnvoll, eine zusätzliche Person mitzunehmen. Denn vier Ohren hören einfach mehr als zwei. Das muss gar nicht immer zwangsläufig der Papa sein, der ja vielleicht auch wieder einen normalen Arbeitsalltag hat, das kann auch eine Freundin oder die Oma sein. Auch hier können Notizen während des Gesprächs eine super Gedankenstütze für später liefern.
  • Einfach alles in den Kalender eintragen. Ich persönlich bin ja ein großer Freund von ganz altmodischen Kalendern aus echtem Papier. Die kannst Du griffbereit platzieren und alle anfallenden Termine sofort festhalten. Aber natürlich geht das auch mit einem Kalender im Handy gut und Du hast den Vorteil, dass Du Dich an Termine (wie z.B. den Hausbesuch Deiner Hebamme ;-)) rechtzeitig vorher erinnern lassen kannst.

Warst oder bist Du in der Stillzeit auch so schusselig? Welche Erlebnisse kannst Du zum Thema Stilldemenz berichten? Wir freuen uns über Deinen Kommentar!

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