sexueller Missbrauch Kind Kleinkind

    Warum Kindesmissbrauch kein Tabu-Thema sein sollte


    Heute möchte ich über etwas schreiben, worüber leider viel zu wenig gesprochen wird: Sexueller Missbrauch von Kindern. Denn leider sind davon sehr viele betroffen – aktuellen Studien zufolge etwa jedes achte Kind in Deutschland. Und doch wird über das Thema so selten gesprochen oder aufgeklärt!

    Was versteht man unter sexuellem Missbrauch?

    Definition Kindesmissbrauch

    Von sexuellem Missbrauch von Kindern spricht man immer dann, wenn sexuelle Handlungen mit oder an einem Minderjährigen ohne dessen Zustimmung oder Verständnis der Situation vorgenommen werden. Bei unter 14-jährigen geht man immer davon aus, dass das Verständnis für die vorgenommenen Handlungen fehlt und sexuelle Handlungen immer gegen dessen Einverständnis stattfinden. Deshalb sind sexuelle Handlungen mit Kindern unter 14 gesetzlich verboten:

    Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.<span class="su-quote-cite"><a href="https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__176.html" target="_blank">Strafgesetzbuch (StGB) § 176 Sexueller Mißbrauch von Kindern</a></span>

    Beim Kindesmissbrauch gibt es immer ein Machtgefälle oder ein Vertrauensverhältnis, das vom Erwachsenen ausgenutzt wird, um seine Bedürfnisse zu befriedigen.

    Körperliche und psychische Folgen für das Kind

    Die langfristigen körperlichen Auswirkungen sexuellen Missbrauchs bei Kindern sind in den vielen Fällen gering. Die körperlichen Schmerzen — seien Sie noch so stark — vergehen, die Verletzungen verheilen. Vor allem für kleine Kinder ist sexueller Missbrauch zunächst nicht groß zu unterscheiden von anderer körperlicher Gewalt. Manchmal handelt es sich auch „nur“ um unangenehme Berührungen, die ihnen von einer potentiellen Vertrauensperson angetan werden — die also rein körperlich betrachtet nicht schmerzhaft für das Kind sind, aber ebenso seelische Schäden auslösen können.

    Dieser Vertrauensbruch hat oft schlimmere Auswirkungen als die Schmerzen — denn ein Kleinkind versteht nicht, was genau da passiert. Oft ist das Kind abhängig von der Bezugsperson oder es vertraut darauf, dass Erwachsene nichts Böses tun. Gerade in diesen Fällen geht es in einer späteren Therapie weniger darum, das Geschehene aufzuarbeiten — eine verbale und gedankliche Auseinandersetzung mit den Ereignissen ist kaum möglich — sondern darum, das Vertrauen in verlässliche Bezugspersonen wieder aufzubauen. Darum, dem Kind die Sicherheit zu geben, dass es in Zukunft vor solchen Übergriffen geschützt ist und dass nicht alle Erwachsenen so handeln.

    Ältere Kinder und Jugendliche verstehen langsam den Zusammenhang zur Sexualität — was es nicht unbedingt einfacher macht, damit umzugehen. Vor allem in der Pubertät, wenn Kinder langsam anfangen, ihre eigene Lust und Sexualität zu entdecken, wird diese negativ konnotiert.

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    Wie tiefgreifend die psychischen Folgen eines sexuellen Missbrauchs für das Kind sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

    • Schwere des Missbrauchs
    • Alter des Kindes
    • Beziehung zum Täter
    • Häufigkeit bzw. zeitliche Ausdehnung des Missbrauchs
    • (fehlende) Hilfe durch Außenstehende
    • Resilienz, also die seelische Widerstandskraft des Kindes

    Wie kann ich mein Kind vor sexuellen Übergriffen schützen?

    Vertrauen in die eigenen Gefühle

    Psychologisch gesehen ist es am einfachsten, angepasste, „brave“ Kinder zu missbrauchen. Wenn ein Kind daran gewöhnt ist, dass eine Bezugsperson ihre Grenzen überschreitet, dass es Vorgänge erdulden muss, mit denen es nicht einverstanden ist, dann wird es sich möglicherweise auch gegen sexuellen Missbrauch weniger zur Wehr setzen. Ein Kind dagegen, das in dem Bewusstsein aufwächst, dass die eigenen Gefühle richtig sind und seine Bedürfnisse geachtet werden, wird auch im Fall von sexuellem Missbrauch darauf vertrauen und sich wehren.

    Die beste Prävention ist daher, wenn ein Kind…

    • seinen eigenen Willen entwickeln darf und dieser auch beachtet wird.
    • in der Familie respektiert wird und ihm geglaubt wird, wenn es etwas sagt.
    • auch aus anderen Lebensbereichen keine Grenzüberschreitungen und Demütigungen seitens anderer Personen kennt.

    Einfach ausgedrückt: Wenn Dein Kind weiß, dass es in Ordnung ist, Nein zu sagen und dass dieses Nein auch akzeptiert wird, wird es nicht so einfach hinnehmen, dass etwas gegen seinen Willen geschieht. Es wird merken, dass an der Situation etwas nicht richtig ist und protestieren. Oder zumindest (hoffentlich) später Mama fragen, warum der oder die das getan hat.

    Auf die Situation vorbereiten

    Du musst mit Deinem Kind nicht detailliert darüber sprechen, was andere Menschen ihm antun könnten, um es auf den Ernstfall vorzubereiten. Das würde Deinem Kind verständlicherweise große Angst machen. Allerdings kannst Du ihm beibringen, dass…

    • niemand es in der Intimzone anfassen darf (außer es selbst).
    • es dort auch niemand Anderen anfassen darf, auch nicht auf dessen Aufforderung hin.
    • es sagen und sich zur Wehr setzen darf, wenn es sich bei Jemandem unwohl fühlt. Auch, wenn es nicht erklären kann, wieso.
    • es Geheimnisse gibt, die es trotzdem Mama oder Papa erzählen darf.

    Denn dass das Kind niemandem etwas sagen darf, dass „das“ ein Geheimnis ist, kommt bei fast allen Fällen von Missbrauch vor. Eine gute Richtlinie ist dann:

    Wenn jemand sagt, du darfst es nicht Mama und Papa sagen, dann musst du es Mama und Papa sagen!

    Damit das auch funktioniert, ist ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Eltern ungemein wichtig. Das bedeutet, dass Dein Kind keine Angst haben darf, für ein Geheimnis gescholten zu werden. Ebenso muss es sicher sein, dass die Eltern es nicht weiter erzählen. Das bedeutet: Wann immer ein Kind sich den Eltern anvertraut, sollte das Erzählte neutral aufgenommen werden, ohne dass es irgendwelche Konsequenzen gibt.

    An welchen Anzeichen erkenne ich sexuellen Missbrauch bei meinem Kind?

    Körperliche Anzeichen für sexuellen Missbrauch

    Nicht immer treten bei einem sexuellen Missbrauch sichtbare körperliche Anzeichen auf. Wer bei seinem Kind blaue Flecken, Kratzer oder Verletzungen an ungewöhnlichen Stellen entdeckt, sollte trotzdem aufmerksam werden. Vor allem am Rücken, Gesäß und der Oberschenkel-Innenseite sind regelmäßige Verletzungen selten durch das normale Spiel verursacht.

    Im Nachhinein lassen sich die körperlichen Anzeichen für einen sexuellen Missbrauch oft von Ärzten feststellen und auch für eventuelle spätere Gerichtsverfahren festhalten. Allerdings bedeutet diese körperliche Untersuchung für ein Kind in der Regel großen Stress und kann unangenehm sein – ob man sie ohne begründeten Verdacht durchführen lässt, sollte man sich daher gut überlegen.

    Psychische Anzeichen für sexuellen Missbrauch

    Leider gibt es keine verlässliche Liste von Anzeichen, an denen man erkennen kann, dass dem eigenen Kind etwas Derartiges passiert ist. Denn jedes Kind reagiert anders und jede Situation von Kindesmissbrauch ist individuell. Aber in den allermeisten Fällen findet eine sichtbare, spürbare und nachhaltige Veränderung  im Kind statt, die über mehrere Monate anhält.

    Diese Veränderung muss nicht immer als negativ empfunden werden. Bei manchen Kindern bewirkt ein sexueller Missbrauch auch, dass sie umso angepasster oder fleißiger werden — und auf diesem Weg das Geschehene kompensieren bzw. Sicherheit und Stabilität erreichen. Andere werden wütend, aggressiv oder nicht selten introvertiert und zurückgezogen.

    Manchmal sind es auch plötzliche „schlechte Angewohnheiten“ wie Nägel kauen oder ein scheinbarer Rückschritt in der Entwicklung. Zum Beispiel kann es passieren, dass ein Kind plötzlich wieder in die Hose macht, nachts das Bett nässt oder ohne ersichtlichen Grund wieder eine Windel tragen möchte. Vielleicht verlangt es plötzlich nach Hilfe bei Handlungen, die seit langem ganz selbstverständlich waren.

    Auch unerklärliche Veränderungen im Wortschatz für die Geschlechtsteile oder sexuell konnotierte Spiele können ein Hinweis sein — müssen allerdings nicht. Wem so etwas bei seinem Kind auffällt, der sollte möglichst offen und neutral nachfragen. Geschichten, die wie erfunden klingen, aber eine entsprechende Konnotation beinhalten, kannst Du ebenso offen hinterfragen.

    All diese Verhaltensänderungen können auch ganz andere Ursachen haben, ein möglicher sexueller Missbrauch ist nur einer von vielen möglichen Gründen. Deshalb ist es wichtig, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und alle Menschen in der Umgebung des Kindes zu verdächtigen. Stattdessen sollten Eltern ihr Kind genau beobachten, bei Äußerungen nachfragen und weitere Anzeichen ernst nehmen.

    Wie kann ich meinem Kind helfen?

    Wie reagiere ich richtig, wenn ein Kind sich mir anvertraut?

    • Versuche, ruhig und verständnisvoll zu bleiben
    • Dramatisiere das Erzählte nicht oder versuche, nicht in einen Schockzustand zu verfalle
    • Stelle keine kritischen Fragen, zum Beispiel, warum das Kind so lange nichts erzählt hat.
    • Lobe und bestätige Dein Kind darin, dass es richtig war, zu sprechen
    • Erkläre Deinem Kind, dass das, was der andere gemacht hat, falsch war und dass es sich wehren darf.
    • Sprich nicht über Konsequenzen für den Täter: Sonst fühlt sich das Kind eventuell schuldig.
    • Stelle offene Fragen — gib keine Details oder Formulierungen vor.

    Ein Kind kann das Geschehene also am besten verarbeiten, wenn offen darüber gesprochen wird. Den Kind muss klar werden, dass das Erlebte falsch war und die Eltern alles tun, damit so etwas nicht wieder vorkommt. Gleichzeitig sollte das Kind aber nicht das Gefühl haben, durch seine Offenheit irgendetwas Negatives ausgelöst zu haben — übermäßige Sorgen und Aufregung in der Familie oder eine Gefängnisstrafe für den Täter.

    In jedem Fall sollten die Eltern professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Wenn Du den Verdacht hast, dass Dein Kind missbraucht wird oder wurde, kannst Du Dich z.B. an die Beratungsstelle Amyna wenden. Diese Organisation berät Eltern und Einrichtungen (z.B. Kindergärten) zum Thema Missbrauchs-Prävention. In einem aktuen Verdachtsfall kannst Du Dich auch direkt an die Polizei wenden.

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