Muss eine gute Hebamme Kinder haben?


    Heute möchte ich eine Lanze für alle kinderlosen Kolleginnen brechen, die täglich mit der Frage zukünftiger oder frisch gebackener Eltern konfrontiert werden : Haben SIE überhaupt Kinder? Viele Paare wünschen sich eine Hebamme, die selbst Mutter ist, vielleicht, weil man sich von ihr mehr Verständnis erhofft oder auch einfach den Eindruck hat, eine Nicht-Mutter könne bei der ganzen Geschichte rund um Schwangerschaftszipperlein und Wehenschmerzen eigentlich gar nicht richtig mitreden. Aber ist es tatsächlich so, dass man Wehen, Geburten oder auch das Wochenbett anders beurteilt, wenn man es selbst erlebt hat? Und betreut man Paare dann zwangsläufig „besser“?

    „DAS ist die Hebamme? Die ist aber jung…“

    Zu Beginn der Hebammentätigkeit ist man normalerweise Anfang 20. Die wenigsten Frauen in dem Alter haben schon Kinder, und so wird es zwangsläufig so sein, dass Gebärende von Hebammen betreut werden, die (noch) keine Kinder haben. Anfangs war ich manchmal  schon ein bisschen gekränkt, wenn ich beim Öffnen der Kreißsaaltüre die Blicke der Paare hinter mich huschen sah, wo sie die „richtige“ Hebamme vermuteten ;-) An dieser Stelle kann ich Euch aber versichern, dass auch die allerjüngste Hebamme mehr geburtshilfliche Erfahrung hat als der junge Assistenzarzt nach dem ersten Kreisssaaljahr. Denn Hebammen lernen in ihrer Ausbildung drei Jahre lang „nur“ das. Geburtshilfe, Anatomie, Physiologie, Kinderheilkunde…, also alles, was Hebammenarbeit ausmacht. Um zum Examen zugelassen zu werden, muss man eine bestimmte Anzahl an selbst geleiteten Geburten nachweisen, so dass man einen gewissen Erfahrungsschatz schon nach drei Jahren Ausbildung mitbringt. Also habt keine Angst oder seid nicht gleich verunsichert, wenn Euch eine Hebamme die Türe öffnet, die jünger ist als ihr, ich hatte mit Ende 20 bereits über 600 Geburten betreut.

    „Haben SIE überhaupt Kinder?“

    Wie oft ich diese Frage in meiner Hebammenlaufbahn gehört habe, kann ich wirklich nicht mehr zählen. Und irgendwie verstehe ich es ja auch… Dennoch  fand ich  sie eigentlich immer ein wenig seltsam. Fragt Ihr den Operateur, der Euch den Blinddarm rausnimmt, ob er seinen noch hat? Oder muss ein guter Herzchirurg bereits einen Infarkt gehabt haben? Ich rede mir in meinen Kursen den Mund darüber fusselig, dass man die (blutrünstigen) Geburtsgeschichten anderer getrost an sich vorbei ziehen lassen kann, denn sie haben rein gar nichts mit der eigenen Geschichte zu tun. Jede Frau gebärt jedes Kind genau einmal.Und keine Geburt ist mit einer anderen vergleichbar. Das heißt, eine Hebamme sollte für mich in erster Linie die Fähigkeit besitzen, Situationen zu erfassen, empathisch zu agieren und ein Gespür dafür entwickeln, was in dieser  individuellen Situation, bei dieser Geburt und dieser Frau vielleicht hilfreich könnte. Ich könnte mir sogar  vorstellen, dass manche Hebamme empathischer ist, wenn sie noch kein Kind geboren hat.

    Meine persönliche Meinung

    Für mich  kann ich klar sagen, dass sich meine Arbeit seit der Geburt meines eigenen Kindes nur minimal wenn überhaupt verändert hat. Denn ich bin einfach der Meinung, dass meine persönliche Erfahrung in meiner Arbeit auch gar nicht viel verloren hat. Meine fachliche Expertise, die Erfahrung, die ich in meiner Arbeit mit bestimmten Vorgehensweisen gemacht habe – das sicherlich. Aber meine eigene Geburt?

    Obwohl ich ein Kind habe, habe ich viele Dinge nicht erlebt

    Ich weiß nicht aus persönlicher Erfahrung, wie es sich anfühlt, sein Frühchen in der Klinik zu besuchen oder wie weh eine Kaiserschnittnarbe wirklich tut. Ich habe keine Ahnung, wie es ist, eine PDA gelegt zu bekommen, oder welche Angst man hat, wenn der Arzt einem sagt, dass eine Saugglocke gemacht werden muss. Und jede Frau oder jedes Paar wird diese Situation für sich anders erleben, so dass sie auch bei ähnlichem Verlauf nie wirklich vergleichbar ist. Aber unabhängig von meiner EIGENEN Erfahrung versuche ich, es mir vorzustellen, mich einzufühlen und im Rahmen meiner Möglichkeiten eine Unterstützung in solchen Situationen zu sein. Ich weiß nicht, wie sich die gebärende Frau gerade fühlt, oder warum sie für sich eine Entscheidung trifft, die ich für mich niemals so getroffen hätte, denn ich stecke einfach nicht in ihrer Haut. Und dabei macht es für mich keinen Unterschied ob ich selbst fünf Kinder oder gar keines habe. Denn vorstellen konnte ich es mir früher genauso gut oder schlecht wie heute…

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