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Adoptiv- oder Pflegekind: Wie wir eine Regenbogenfamilie wurden


Da standen wir also – ein schwules Paar mit dem Wunsch eine Familie gründen zu wollen.

Dass das auf natürlichem Weg innerhalb unserer Partnerschaft nicht möglich war, war klar. Und so kam Christian eines Tages zu mir und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, ein Pflegekind aufzunehmen. Er hatte einige Infos von einer Kollegin erhalten, die gleich zwei Pflegekinder hatte. Meist sehr klar und manchmal auch recht radikal in meinen Vorstellungen, verneinte ich dies sofort. Ich stellte mir vor, wie wir ein Kind aufnehmen, uns einige Jahre liebevoll kümmern, eine tiefe Bindung aufbauen und plötzlich nimmt man es uns wieder weg. Ein Weg, den ich mir emotional auf keinen Fall vorstellen konnte und auch nicht wollte. Und so stellte sich die Frage: Was sind die Alternativen für eine Regenbogenfamilie?

Das Modell einer Patchworkfamilie mit einem lesbischen Paar oder auch eine Leihmutterschaft im Ausland stellte für uns keine Möglichkeit dar. Recht schnell kam dann das Thema Adoption auf den Tisch. Das Recht sah damals vor, dass nur einer von uns hätte adoptieren dürfen, da wir eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen waren – damals die einzige Möglichkeit. Im zweiten Schritt hätte dann der andere Partner eine Stiefkindadoption beantragen können. Über Sinn oder Unsinn dieser Rechtsprechung möchte ich an dieser Stelle gar nicht philosophieren. Es war ein Fakt und konnte so nicht in Frage gestellt werden. Erst später, mitten im Adoptionsprozess kam plötzlich das Thema „Ehe für alle“ auf und somit auch die Möglichkeit, dass wir als Paar ein Kind adoptieren konnten.

Gespräche auf dem Jugendamt – ein Kinderwunsch und viele Schicksale

Wir gingen also zum Erstgespräch aufs Jugendamt für eine mögliche Adoption. In den nächsten Monaten sollten wir unendlich viel über das Thema lernen. Wir lernten uns, unsere Einstellungen, unseren Kinderwunsch und die Hintergründe noch viel besser kennen. Vor allem aber, was vielleicht die Hintergründe der abgebenden Frauen sind. Was es für eine Stärke und Mut bedeutet, sich einzugestehen, nicht adäquat für das eigene Kind sorgen zu können, dass die eigenen Lebensumstände für ein Kind nicht gut sind.

Aber, wir lernten auch ganz viel über Pflegekinder und den zugehörigen Prozess kennen. Im Gegensatz zur Adoption, ist nach erfolgreicher Überprüfung die Aufnahme eines Pflegekindes in Deutschland sehr wahrscheinlich. Es warten unendlich viele Kinder auf eine Pflegefamilie – ihre letzte Station das Kinderheim. Bei einem Pflegekind hat die Mutter ihr Sorgerecht nicht freiwillig abgegeben. Es ist das Jugendamt, das Gericht, eine Behörde, die entscheidet, dass ein Kind in Obhut genommen wird – weil es vielleicht um Überforderung, um Gewalt, um Drogen, um Alkohol o.ä. geht.

In unserem Landkreis gibt es zusätzlich das System der Bereitschaftspflege, was bedeutet, dass das Baby oder Kleinkind zu allererst in eine Kurzzeitpflege geht. In dieser Zeit wird abgeklärt, ob sich die Mutter/Familie wieder fängt oder ob es Verwandte gibt, die sich dem Kind annehmen können. Erst, wenn alles abgeklärt wurde, kommt das Kind – im besten Fall innerhalb von sechs Monaten – in eine Dauerpflegefamilie. Das Kind darf dort zur Ruhe kommen und ein ganz normales Familienleben führen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es  zu den leiblichen Eltern zurückgeführt wird, ist nicht sehr hoch.

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Wichtig zu verstehen ist, dass diese Kinder Eltern haben, die sie nicht freiwillig abgegeben haben. Dass die Eltern die aufnehmenden Pflegeeltern im Zweifel als Konkurrenz betrachten, dass es bei möglichen Besuchskontakten mit Kindern und leiblichen Eltern zu großen Emotionen kommen kann. Umso wichtiger ist die Ruhe, der Anker und vor allem die Liebe, die die Kleinen bei uns Dauerpflegefamilien erhalten. Den kleinen Vorteil, den man mit Pflegekindern gegenüber Adoptivkindern hat, ist, dass man einiges von ihrem Rucksack kennt. Dass man damit umgehen und auf sie und ihre Bedürfnisse zugehen kann. Bei Adoption ist oft unklar, aus welchen Verhältnissen die Kinder kommen und was sie vielleicht schon im Mutterleib erfahren mussten.

Eine Einzelfallbetrachtung – was trauen wir uns zu?

Am Ende ist es immer eine Einzelfallbetrachtung – ein Wort, dass uns innerhalb der Prozesse dauerhaft begleitete. Was trauen wir uns zu, wo sind unsere Grenzen, womit können wir umgehen? Fragen, denen man sich als Paar unglaublich offen und ehrlich stellen muss. Die gut überlegt sein müssen, denn mit diesen Entscheidungen muss man im Zweifel und besten Fall ein Leben lang umgehen. Man ist kein schlechter Mensch, weil man vielleicht einen Einzelfall ablehnen muss, weil man sich vielleicht nicht reif, stark oder erfahren genug fühlt. Man nimmt ein fremdes Kind in seine Familie auf. Ein Kind, das bereits Erfahrungen gemacht hat und ein Stück weit geprägt wurde. Und auf der anderen Seite gibt es so unendlich viele kleine Wesen, die eben händeringend ein liebevolles Zuhause suchen. Die nichts sehnlicher wollen, als endlich anzukommen und sich geborgen zu fühlen.

Nachdem wir also all diese und noch viel mehr Überlegungen in die Waagschale geworfen haben, haben wir uns für ein Pflegekind entschieden und diese Entscheidung bisher an keiner Stelle bereut. Wenn wir in diese leuchtenden und glücklichen Kinderaugen schauen, wenn Lukas uns beide an der Hand nimmt, wenn er von „seiner Familie“ spricht, dann wissen wir, dass wir alles richtig gemacht haben. Dass sich alle Gespräche mit dem Jugendamt, alles Ungewisse, alle Gedanken genau dafür lohnen.

Ängste und Hoffnung

Die Ängste, die ich vor einem Pflegekind, aber vor allem vor diesem System hatte, sind nicht gänzlich verflogen. Natürlich würde es uns das Herz zerreißen, wenn Lukas aus unerfindlichen Gründen doch wieder gehen müsste. Ganz abgesehen davon, was es mit ihm selber machen würde. Aber Hoffnung muss bei dem Thema eben auch dabei sein. Und wir hoffen einfach, dass am Ende FÜR das Wohl von Lukas entschieden würde – und er eine glückliche Kindheit und Jugend in seiner Regenbogenfamilie leben darf.

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