Das letzte Mal stillen Kleinkind abstillen

    Das letzte Mal stillen


    Obwohl ich diejenige war, die nicht mehr stillen wollte und meinem Mädchen eine Frist setzte (ihr vierter Geburtstag), kullerten mir beim letzten Stillen – beim allerletzten Mal – die Tränen. Warum? Das ist wahrscheinlich nur schwer nachzuvollziehen…

    Spielend-leichter Stillstart

    Als ich mein Mädchen vor vier Jahren das erste Mal im Kreißsaal anlegte, hatte ich nicht die leiseste Ahnung wie das Stillen funktioniert und ob es klappt. Ich war verblüfft wie selbstverständlich sie meine Brustwarze suchte und fand, wie sie meine Brust mit ihrem kleinen Schnütchen ansaugte. Unsere Stillbeziehung lief vom ersten Tag an reibungslos, denn sie trank als wenn sie das schon immer so gemacht hätte und mein Körper belieferte sie mit Milch für 10 Babys. Und so machte ich mir anfangs zwar Gedanken über einen optimalen Stillrhythmus und welche Seite ich ihr zuletzt angeboten hatte, aber nie darüber wie lange ich sie eigentlich stillen möchte.

    Länger als 6 Monate stillen?

    Es hieß, dass Babys mit 6 Monaten feste Nahrung und dementsprechend weniger Muttermilch brauchen, doch mein Mädchen probierte in diesem Alter zwar von allen Nahrungsmitteln, die ich ihr anbot. Allerdings nur Mini-Häppchen und sie spülte immer mit meiner Milch nach. Länger als 6 Monate zu stillen, ist in Deutschland ungewöhnlich, also setzte ich mich mit dem Thema „Langzeitstillen“ auseinander. Ich wälzte Bücher, besuchte eine Stillgruppe, redete mit anderen langzeitstillenden Müttern und machte schließlich selbst eine Ausbildung zur Stillberaterin. Ich lernte, dass das Stillen über das erste Lebensjahr hinaus in unseren Gefilden zwar selten und für viele befremdlich ist, aber möglich und vor allem natürlich (siehe „Langzeitstillen ist da überhaupt noch was drin?“).

    Mehr als nur Nahrung für den Körper

    Das Wissen, das ich mir im Laufe der Zeit über das Stillen aneignete, nahm mir meine Zweifel und Sorgen. Ich wusste, dass ich meinem Kind etwas Gutes gebe und das half mir, unsere Stillbeziehung aufrechtzuerhalten und sie zu genießen. Ich erlebte außerdem, warum Stillen nicht nur Nahrung ist, sondern so viel mehr. Wie oft dachte ich beispielsweise, dass meine Milch eine Art Zaubertrank ist, der mein Mädchen runterfährt und ihr gute Laune bereitet. Das fiel mir vor allem in Krisenzeiten auf, in denen sie sehr wütend oder traurig war. Nach einer tröstenden und kuscheligen Stilleinheit wirkte sie wie ausgewechselt. Etwas das nicht nur mich, sondern auch Thomas immer wieder verblüffte. Stillen erleichterte ihr zudem das Einschlafen. Nach 5 Minuten an der Brust wanderte sie still und leise ins Traumland – sehr zuverlässig, Abend für Abend. Und es nahm mir viele Sorgen, wenn sie erkrankte. Denn in solchen Phasen verweigerte sie jegliche Nahrung – nur meine Milch, die trank sie immer.

    Mit Freude stillen

    Ich genoss das Stillen. Ich stillte vom ersten Tag gerne und hatte auch zwischendurch nie das Gefühl, dass es mir zu viel wird (etwas das ich bei anderen stillenden Müttern manchmal beobachtete). Mir machte das nächtliche Stillen nichts aus und ich schaufelte mir tagsüber genügend Freiräume ohne Kind. Das klappte mit zunehmenden Alter natürlich besser (ab 3 ging sie in den Kindergarten) und nahm mir den Druck, immer für sie da sein zu müssen.

    Jetzt reicht es

    Ich hatte ja gehofft, dass mein Mädchen eines Tages von sich aus mit dem Stillen aufhört, aber dem war leider nicht so. Als der Bub zur Welt kam, wurde mir das nächtliche Stillen von zwei Kindern zu viel. Ich reduzierte ihre Stilleinheiten und stillte sie nur noch beim Zubettgehen und Aufstehen. Das fand sie anfangs richtig blöd, aber nach wenigen Wochen akzeptierte sie meine Entscheidung. Irgendwann im Frühjahr merkte ich dann plötzlich, dass ich auch darauf keine Lust mehr habe. Es fühlte sich irgendwie komisch an, ich kann es kaum beschreiben. Ich wollte lieber nur noch mit ihr kuscheln – alles andere war mir zu viel.

    Sale

    Bis zum Stichtag

    Weil sie jedoch so daran hing und ich sie nicht überrumpeln wollte, traf ich mit ihr eine Vereinbarung. „Noch bis zum 4. Geburtstag“, sagte ich ihr jeden Abend, „dann bist Du so groß, dass Du meine Milch nicht mehr brauchst.“ Sie lächelte immer und stimmte freudig zu. Aber ohne so richtig zu wissen, was es bedeutet, zumindest hatte ich das Gefühl.

    Das letzte Mal Stillen

    Ich freute mich auf das Ende der Stillzeit – ein Zeichen dafür, dass ich wirklich genug hatte. Aber als ich sie am Abend vor ihrem 4. Geburtstag das letzte Mal in den Schlaf stillte, weinte ich. Wahrscheinlich weil ich mich einen Tag vor ihrem Geburtstag immer besonders intensiv an ihre Geburt erinnere und daran wie klein sie einst war. Weil ich Abschiede nicht mag und überhaupt seit der Geburt meiner Kinder so unglaublich nah am Wasser gebaut bin. Ich hielt sie also ganz fest im Arm und ließ sie ein letztes Mal trinken. Wohlwissend, dass wir mit diesen allerletzten Zügen ein langes Stillkapitel beenden und hinter uns lassen würden. Ich war traurig und froh zugleich. Eine Gefühls-Mischung, die mich sicherlich noch einige Male in meiner Rolle als Mutter erwarten wird.

    Ohne Muttermilch? Wie geht das?

    Früh am Morgen scheint sie das Stillen nicht zu vermissen. Am ersten Abend, als sie merkte, dass ich mich tatsächlich an unsere bzw. meine Vereinbarung halte, war sie jedoch traurig. Sie weinte kurz, aber ließ sich schnell trösten. Blöderweise meldetet sich in diesem Augenblick der Bub – er wollte gestillt werden. Ich hatte ihr ein Hörbuch angemacht und Thomas legte sich dann einfach zu ihr. Er kuschelte sich ganz nah ran, sie breitete ihren Arm aus und hielt sein Ohr fest. Nach zwei Minuten war sie eingeschlafen. Als er aus dem Schlafzimmer kam, fragte ich erstaunt wie er das gemacht habe. „Mein Zauberohr!“ erwiderte er schmunzelnd. Und wir waren beide erleichtert, dass das daran Festhalten dem Mädchen so gut beim Einschlafen half. Gestern Abend brachte ich sie ohne Unterbrechung ins Bett. Wir hörten „Feuerwehrmann Sam“, ich streichelte ihren Rücken und sie wälzte sich unruhig hin und her. Zweimal fragte sie mich leise, ob sie trinken dürfe. Ich verneinte und kurz darauf schlief sie ruhig und friedlich ein. Es ist offensichtlich genau so wie ich es ihr gesagt hatte. Sie ist nun so groß, dass sie meine Milch nicht mehr braucht.  

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      Ein Kommentar zu Das letzte Mal stillen

      1. Ich habe bei deinem Artikel ein kleines tränchen verdrückt (seit den Kindern auch sehr nah am Wasser gebaut).

        Ich kann mich gut in die Situation hinein versetzen. Ich habe das Stillen auch sehr genossen. Aber nach einmal 13 und einmal 15 Monaten war schluss.

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