Blöde Mama! Du bist gemein!


Im Moment bin ich für unsere vierjährige Tochter entweder die blöde, gemeine Mama oder die beste Mama auf der ganzen Welt. Meist ändert sie ihre Meinung binnen weniger Sekunden und ich weiß nicht noch einmal inwiefern ich mir meine Titel verdient habe. Oft stehe ich ratlos vor ihr, während sie mir ein „Kacka-Mama“ entgegen schleudert und wütend stampfend ins Nachbarzimmer läuft, um die Tür zuzuknallen. Direkt mehrmals versteht sich, damit ich auch wirklich mitbekomme, dass sie schrecklich wütend ist.

Selber gemein!

An manchen Tagen geht sie mir mit ihren Beleidigungen furchtbar auf die Nerven, vor allem dann, wenn sie aus heiterem Himmel auf mich einprasseln. Wenn ich plötzlich gemein bin, weil ich ihr die falsche T-Shirt Farbe herausgesucht oder die Autotür für sie geöffnet habe. Wenn sie mich blöd findet, weil ich ihr kein drittes Eis kaufen will oder sie davon abhalte, ihrem Bruder (9 Monate) weh zu tun. Beschimpft sie mich in solchen Situationen, würde ich sie manchmal am liebsten stehen lassen und sagen: „Dann sieh doch zu wie Du ohne Deine blöde Mama klar kommst! Du bist selber gemein!“ Ein Impuls, der einsetzt, weil ich mich angegriffen und verletzt fühle, dem ich aber glücklicherweise nur im Ausnahmefall nachgebe. Denn meistens kann ich ihre Gefühlsausbrüche und -schwankungen nachvollziehen, vielleicht weil ich ein ähnlich impulsiver Charakter bin.

Der Blick in den Spiegel

Zugegebenermaßen erkenne ich mich oft in ihrem Verhalten wieder. Wenn sie ungeduldig „Mist!“ ruft, während sie hektisch versucht ihre Schuhe anzuziehen oder wenn sie unausgeschlafen ihre schlechte Laune an mir oder Thomas auslässt. Das sind die Momente, in denen mir der Spruch „Wir brauchen unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach“ durch den Kopf schießt. Denn auch ich bin im Alltag oft ungeduldig und mürrisch. Leider. Und es ist sicherlich kein Zufall, dass ihre Ausbrüche immer dann am intensivsten sind, wenn ich selbst angespannt, unausgeschlafen oder schlecht gelaunt bin. Stimmungen sind ansteckend, sowohl gute als auch schlechte. Lachen Thomas und das Mädchen herzhaft, kann ich auch ohne den Grund zu kennen mitkichern; meckern die beiden nur herum, steige ich irgendwann genervt mit ein. Und so geht es auch der Tochter – nur, dass sie meine Übellaunigkeit potenziert.

Doch wie gehe ich mit Wutausbrüchen und Beschimpfungen am besten um?

Nicht so, wie ich es gerne würde…. Mein Neffe fragte meine Schwester und mich vor kurzem, welche Gabe wir uns wünschten, wenn wir eine wählen könnten. „Ich möchte fliegen“, antwortete meine Schwester wie aus der Pistole geschossen. „Geduldig sein!“ sagte ich und träumte weiter: „Ich wünschte, ich könnte in allen Lebenssituationen gelassen, entspannt und liebevoll reagieren. Denn das kann ich leider (noch) nicht. Wütet unser Mädchen und wirft sie mit Beschimpfungen um sich, dann merke ich wie die Wut auch in mir hochsteigt. In meinem Elternhaus wurde täglich laut geschrien und geflucht, was ich zumindest in abgeschwächter Form übernahm und deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass ich kein gutes Vorbild abgebe, wenn ich sie in schwierigen Situationen zurück beschimpfe. Denn wie soll sie lernen bei Konflikten konstruktiv zu reagieren, wenn mein Geduldsfaden ständig reißt? Und so versuche ich bereits seit Monaten an meinem alten Verhaltensmuster (bei Stress zu explodieren) zu arbeiten und dabei helfen mir unter anderem folgende Strategien:

  1. „Zwischen-Streicheleinheiten“ verteilen Irgendwo habe ich gelesen, dass Kinder es mögen, wenn sie zwischendurch einen Kuss, eine Umarmung oder eine kleine Berührung (z.B. ein Streicheln im Vorbeigehen) spüren und dass sie sich weniger „auffällig“ verhalten, wenn sie regelmäßig solche kleinen Aufmerksamkeiten bekommen. Bei uns klappt es und es hilft auch mir, ich muss nur öfter daran denken…
  2. Volle Aufmerksamkeit schenken Manchmal habe ich den Eindruck, dass das Mädchen einfach nur gesehen werden will, wenn sie mir etwas Freches um die Ohren haut oder ihren Bruder ärgert – vor allem an Tagen, an denen die „kleinen Aufmerksamkeiten“ meinerseits knapp ausfallen. Dann begebe ich mich zu ihr hinunter (auf Augenhöhe), nehme sie fest in den Arm und sage ihr, wie lieb ich sie habe.
  3. Mit Spiel und Spaß ablenken Oder ich probiere es mit Humor. Indem ich beispielsweise ihr Verhalten spiegle und übertrieben „bocke“. Dann muss sie meist schmunzeln, obwohl sie doch eigentlich wütend sein will. Manchmal verwickle ich sie auch in ein Krabbel- oder „Tobespiel“ (Kissenschlacht/ Fangen/ Verstecken mit Erschrecken oder ähnliches), bei dem die Stimmung ebenfalls schnell in die andere Richtung umschlägt.
  4. Ruhig und klar bleiben Ich sage ihr stets sofort, wenn ich etwas nicht mag („Ich will nicht, dass Du mich anschreist.“), aber versuche dabei einen respektvollen Ton zu wählen.
  5. Alternativen bieten Bezeichnet mich das Mädchen als „blöde Mama“ helfe ich zunächst zu verbalisieren, was sie wirklich meint: „Du bist jetzt wirklich aufgebracht/sauer/wütend, weil ich dir … verboten habe. Ich kann das gut verstehen. Versuch, beim nächsten Mal, zu sagen: ‚Ich bin echt wütend mit dir, Mama, weil….‘ Du kannst dabei auch mit dem Fuß aufstampfen, vielleicht hilft dir das?“ (siehe auch „Entthronung des Erstgeborenen“).
  6. Durchatmen und Zimmer verlassen Ich bin kein Fan von Bestrafungen, wie das Verbannen des Kindes auf eine „stille Treppe“, weil solche Maßnahmen im schlimmsten Fall das Gegenteil bewirken. Manchmal bin ich allerdings so sauer, dass ich zunächst den Raum verlasse, um mich kurz zu beruhigen. In der Regel helfen mir schon wenige Sekunden und einige Male tiefes Durchatmen, um die schlimmsten Gedanken entweichen zu lassen und weniger emotional zu reagieren.
  7. Da sein und abwarten Manchmal hilft nichts mehr, außer da zu sein und den Wutanfall/ die schwere Krise auszusitzen. Zieht ein heftiger Sturm auf, bleibe ich in ihrer Nähe und denke an: „Liebe mich dann, wenn ich es am wenigsten verdient habe, denn dann brauche ich es am meisten“(Verfasser unbekannt).

Manchmal sind die Wutausbrüche der Großen ziemlich frustrierend und unangenehm. Und es bleibt immer die Frage in meinem Kopf, ob ich nicht geschickter auf ihre Wutausbrüche reagieren könnte. Bestimmt. Wenn ich ein durch und durch entspannter Mensch wäre. Aber der bin ich nicht. Meine Tochter auch nicht, was ich manchmal blöd finde. Und trotzdem ist sie für mich die beste Tochter der Welt!    

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3 Kommentare zu “Blöde Mama! Du bist gemein!

  1. Endlich mal ein ehrlicher Artikel. Danke!
    Kein normaler Mensch kann in solchen Situationen immer ruhig bleiben.
    Und ich weiß nicht, ob man den Kindern immer gutes tut, wenn man sich alles gefallen lässt. Oft suchen sie ja nach einer Grenze. Und wie sollen sie Empathie lernen, wenn Mama nicht auch mal gekrängt oder bockig sein darf? Wenn Kinder bewusst, zb. gleich nach dem aufstehen schon sauer auf Mama sind und die wildesten Sachen sagen und alles verweigern, möchte ich mal die Valium-Mamas sehen, wie sie ihr Kind rechtzeitig in den Kiga, bzw. die Schule bringen. Sorry, aber das musste ich mal loswerden.

    1. Herrlich, Valiummamas :D Aber genau das frage ich mich auch immer wieder. „Wie schaffen andere es ruhig zu bleiben und nicht doch irgendwann auch zurück zu schreien?“. Dieser Artikel hilft mir mehr als die meisten anderen Artikel in denen eigentlich sowieso die Mama selber Schuld ist. Zugegeben, manchmal ist es so, dass man gereizt ist, weil man selber einfach zu spät begonnen hat sich fertig zu machen um das Haus zu verlassen oder wenn es am Abend zu spät ist um das liebe Kind ohne „nach müde kommt doof“ in’s Bett zu bekommen. Die Kinder können für diese Situationen nichts aber dennoch ist man als Mama am Ende des Tages doch auch einfach nur müde (und doof? 🧐😬). Ich arbeite jeden Tag an mir und versuche weitestgehend gelassen zu bleiben. Gar nicht so einfach mit einem 3-jährigen in der Blüte seiner intensiv ausgelebten Autonomie-Phase und einem 6 Monate alten Baby dabei… Aber was ich eigentlich sagen wollte: Vielen Dank für diesen tollen Artikel ❤

  2. Liebe Kathrin,
    danke für Deinen Artikel!!! Ich kann Dir nicht sagen, wie oft es mir genau so geht, wie oft ich ratlos dastehe oder viel zu laut werde und mich nachher wieder dafür schäme …
    Ein paar Deiner Strategien werde ich auch mal ausprobieren, vielleicht helfen sie uns auch :-)
    Viele Grüße,
    Anne

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