ich schimpfe zu viel

    Ich schimpfe zu viel


    Heute morgen am Frühstückstisch schaute unser Mädchen (fast 4 Jahre) mit trüben Blick auf ihr Toast. „Alles in Ordnung?“ frage ich. Keine Antwort. „Stimmt etwas nicht?“ hakt Thomas nach. Doch sie starrt weiterhin nur auf ihren Teller. „Magst Du Dein Toast nicht essen?“ versuche ich es erneut. Sie schüttelt vorsichtig mit dem Kopf. „Möchtest Du einen anderen Belag?“ Sie nickt ohne den Blick zu heben. Thomas und ich, wir schauen uns schuldbewusst an. In den letzten Tagen kassierte die Große beim Frühstück viele Rügen. Weil sie ein Toast mit Marmelade bestellte und sich kurz nach dem Schmieren für Honig entschied. Oder umgekehrt. Oder weil sie noch ein Toast forderte und dieses dann unangetastet liegen ließ. Weil sie beim Essen ständig aufsprang oder Quatsch machte. Weil sie sich nach dem Essen nicht sofort ihre klebrigen Hände wusch. Aber auch zu anderen Tageszeiten fand ich immer wieder einen Grund zu schimpfen. Sie bemalt im Augenblick beispielsweise jeden Einrichtungsgegenstand, der ihr in die Finger kommt. Sie verbraucht unendlich viel Handseife im Bad, weil sie so gerne mit dem Schaum spielt. Sie schüttet mit Vorliebe ihre mit Sand gefüllten Schuhe im Flur aus – meist kurz nachdem ich gesaugt habe… Das liefert jede Menge Konfliktpotenzial, denn ich mag keine Lebensmittel wegschmeißen oder ständig ihre Brote aufessen. Es macht mich nervös, wenn sie beim Essen unruhig auf ihrem Stuhl hin- und herzappelt. Ich liebe ihre Kunstwerke, aber nur auf Papier. Und ich kann es nicht ausstehen, ihr ständig hinterher räumen zu müssen, vor allem weil ich gerade eh das Gefühl habe, mit der Hausarbeit kaum hinterher zu kommen. Ich fühle mich einerseits im Recht, wenn ich wegen all dieser Dingen mit ihr schimpfe, andererseits plagt mich das schlechte Gewissen, weil ich mich häufig dabei erwische wie ich sie schroff und ungeduldig anfahre. Die Szene heute morgen am Frühstückstisch bestätigte mir, dass ich in letzter Zeit wahrscheinlich zu streng mit ihr war. Oder warum traut sie sich nicht mehr zu sagen, was sie möchte? Das macht mich ziemlich traurig, denn ich bin eigentlich keine Motzkuh. In den ersten drei Jahren gelang es mir meist, sehr geduldig mit ihr umzugehen. Sie durfte in aller Ruhe das Essen erkunden, wobei das Meiste auf den Boden fiel. Sie spielte stundenlang mit Linsen in der Küche, die ich teils heute noch in den Ritzen wiederfinde. Sie erforschte ihre Umwelt mit Neugier und wir liefen oft ohne Ziel durch die Stadt, wobei sie Richtung und Tempo bestimmte. Ich nahm ihren Widerwillen beim Anziehen und Zähneputzen mit Humor und fand immer einen spielerischen Weg mit ihren Marotten umzugehen. Seit der Geburt des Knaben im November 2014 muss sie jedoch die Große sein. Der Bub fordert meist meine volle Aufmerksamkeit (er ist zwar pflegeleicht, aber dennoch ein hilfloses Baby, das am liebsten getragen wird) und so wünsche ich mir, dass sie einfach macht, was ich ihr sage. Dass sie selbstständig und „vernünftig“ ist. Dass sie keinen „Mist baut“. Ganz schön viel verlangt, da sie ja selbst noch ein kleines Kind und ebenfalls mitten im „Entdecker- und Experimentiermodus“ steckt. Doch den Blick dafür verlor ich leider in den letzten Wochen, was mir heute Morgen beim Frühstück schmerzhaft bewusst wurde. Ich will nicht, dass sie Angst vor mir hat. Sie soll weiterhin ihre Bedürfnisse und Wünsche äußern dürfen. Sie soll sich weiterhin unbeschwert bewegen und entfalten können. Sie ist schließlich noch ein Kind und es wäre schade, wenn sie durch meine Nörgelei das „Kindsein“ verliert. Das bedeutet nicht, dass ich ihr von heute an alles erlaube wozu sie Lust hat. Nein. Aber vielleicht gelingt es mir meine Grenzen weniger genervt, sondern freundlicher zu äußern. Ihr wieder mehr Raum zum Spiel zur Verfügung zu stellen (soll sie doch mit der Seife experimentieren), ihr mehr Zeit zuzugestehen (sie weniger zu hetzen) und sie vor allem einfach mal machen zu lassen. Ich nehme mir fest vor, mich weniger in ihr Tun einzumischen und mir die „Neins“ für die wirklich wichtigen Situationen aufzusparen. Mehr mit ihr über ihren Blödsinn zu lachen, statt sie streng und ungeduldig zu anständigem Benehmen zu ermahnen. Denn sie ist ein tolles und selbstständiges Mädchen, aber eben auch noch ein Kind.    

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      Ein Kommentar zu Ich schimpfe zu viel

      1. Meine Tochter ist noch etwas schlimmer wenn man was sagt kommt warum oder is dann so das sie meist ihrem Bruder wach macht mit ihrem lauten Organ !wenn man was sagt kommt was warum und und da werde ich auch laut !Dan is mal wieder lieb und dann auf einmal wieder anders

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