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Frühgeburt verhindern: Geht das?


Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 773.100 Kinder geboren. Etwa 4,7 % davon waren Frühgeburten. Das heißt, sie kamen vor der abgeschlossenen 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt. Aber was genau bedeutet eigentlich „Frühgeburt“? Wodurch wird eine Frühgeburt ausgelöst? Welche Risikofaktoren gibt es? Und wahrscheinlich die spannendste Frage: Kannst Du selbst das Risiko einer Frühgeburt senken oder gar eine Frühgeburt verhindern?

Was ist eine Frühgeburt?

Von einer Frühgeburt spricht man in der Medizin bei Kindern, die vor der abgeschlossenen 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen. Also früher als drei  Wochen vor dem Entbindungstermin.

Zur Veranschaulichung möchte ich Dir gerne ein Beispiel nennen: Eine „normale“ Schwangerschaft dauert bis zum Erreichen des Entbindungstermins 40 Wochen und 0 Tage (40+0). Ab 37+0 (also drei Wochen vor Entbindungstermin) spricht man von einem reif geborenen Kind. Also angenommen, Dein Geburtstermin wäre am 22.11.2018, dann wäre Dein Kind ab 01.11. keine Frühgeburt mehr.

Eine Frühgeburt ergibt sich IMMER aus der Schwangerschaftsdauer und hat nichts mit dem Geburtsgewicht zu tun. In manchen Köpfen spukt nämlich auch noch eine Gewichtsgrenze von 2500 g herum. Dabei geht es allerdings um bestimmte gesetzliche Fristen (Mutterschutz etc.), die bei am Termin geborenen Kindern unter 2500g auch anders sein können. Daher kommt vielleicht dieses Missverständnis.

Gibt es Risikofaktoren für eine Frühgeburt?

Ja, die gibt es durchaus. Dazu möchte ich allerdings noch einmal klar sagen, dass eine Frühgeburt ja nicht immer durch vorzeitige Wehen, Blasensprung oder einen Geburtsbeginn ausgelöst wird. Viele Frühchen kommen auf die Welt, weil es ihnen im Bauch nicht mehr gut ging oder die Mutter irgendeine Erkrankung hat. Oder, weil es andere Gründe gibt, die es notwendig machen, die Schwangerschaft zu beenden. Das heißt, dass viele Risikofaktoren auch einfach das Risiko erhöhen, bestimmte Komplikationen in der Schwangerschaft  zu entwickeln. Zum Beispiel eine schlechtere Durchblutung der Plazenta und somit ein schlechteres Wachstum des Kindes.

Besondere Risikofaktoren für eine Frühgeburt sind:

➔ Kinderwunschbehandlung

Durch ICSI, IVF und Hormontherapie kommt es häufiger zu Mehrlingsschwangerschaften. Diese erhöhen wiederum das Risiko einer Frühgeburt deutlich. Vor allem, wenn es mehr als zwei Kinder im Bauch sind.

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➔ Mehrlinge

Wie gesagt, führen Mehrlinge häufiger zu Frühgeburten, weil der Platz im Bauch einfach irgendwann nicht mehr ausreicht, die Kinder unterschiedlich wachsen, bzw.nicht alle gleich gut versorgt werden. Oder, weil die körperliche Belastung für die Mama zu groß wird.

➔ Rauchen, Alkohol

Nikotin führt zu einer Minderdurchblutung der Gefäße, das heißt, auch der Mutterkuchen wird schlechter durchblutet. Das Baby wächst deutlich langsamer oder irgendwann auch gar nicht mehr und kann deshalb oft nicht bis zum Schluss im Bauch bleiben. Ebenso kann Alkohol in der Schwangerschaft dazu führen, dass das Baby frühzeitig geholt und die Schwangerschaft beendet werden muss, damit schlimmere Folgen für das Kind verhindert werden können.

➔ Übergewicht, Diabetes, vorbestehender Bluthochdruck

Die drei Punkte habe ich einmal zusammengefasst, weil sie oft Hand in Hand gehen. Jeder Faktor einzeln kann das Risiko für eine Frühgeburt erhöhen, weil er die Entwicklung einer Präeklampsie, im Volksmund „Schwangerschaftsvergiftung„, begünstigen. Somit kann sowohl Übergewicht in der Schwangerschaft, eine Gestationsdiabetes oder Bluthochdruck dazu führen, dass die Schwangerschaft frühzeitig beendet werden muss.

➔ Mütterliches Alter

Frauen über 35 haben statistisch gesehen ein höheres Risiko, eine Präeklampsie zu entwickeln und somit auch ein höheres Frühgeburtsrisiko. Das gilt vor allem, wenn es sich um die erste Schwangerschaft handelt. Außerdem kommt natürlich dazu, dass Frauen zwischen 35 und 40 häufiger auf medizinische Unterstützung in Form einer Kinderwunschbehandlung angewiesen sind. Dadurch entstehen wieder häufiger Mehrlinge. Somit führen einfach viele Umstände dazu, dass das Risiko etwas ansteigt.

➔ Vorausgegangene Frühgeburten

Hier ist es natürlich wichtig, zu sehen, WARUM das Kind /die Kinder in der vorhergehenden Schwangerschaft zu früh kamen. Wenn der Grund beispielsweise Mehrlinge war und jetzt ein Einling im Bauch ist, muss das Risiko nicht höher sein als bei jeder anderen Frau.

➔ Entzündungen

Entzündungen sind der häufigste Auslöser für vorzeitige Wehentätigkeit. Und vorzeitige Wehen oder ein vorzeitiger Blasensprung können im schlimmsten Fall zu einer Frühgeburt führen. Wichtig ist aber, sich klar zu machen, dass es generell um Entzündungen geht. Also Entzündungen ÜBERALL im Körper. Das muss keine Blasenentzündung sein oder eine Infektion in der Scheide: Genausogut kann z.B. auch eine Entzündung im Mund, am Zahnfleisch oder sogar eine schlecht eingestellte chronische Erkrankung, die mit Entzündungen im Körper einhergeht (wie z.B. Morbus Crohn) vorzeitige Wehen auslösen und zu einer Frühgeburt führen.

Kann ich eine Frühgeburt verhindern?

Ich als Hebamme würde auf eine so formulierte Frage ganz klar mit „Nein“ antworten: Eine Frühgeburt verhindern, das geht nicht. Wenn Dein Körper das Kind nicht optimal versorgt, der Gebärmutterhals einfach nicht fest genug hält (das nennt man Cervixinsuffizienz) oder Du nunmal Drillinge bekommst, kannst Du nichts tun – und hast auch nichts falsch gemacht.

Aber: Du kannst das Risiko im Rahmen Deiner Möglichkeiten minimieren

Also:

  • Bei Kinderwunschbehandlung sehr genau überlegen, wie viele befruchtete Eizellen eingesetzt werden sollen, um das Risiko von Mehrlingen (v.a. von Drillingen oder mehr) zu reduzieren.
  • Frühzeitig, am Besten schon bei bestehendem Kinderwunsch, Alkohol- und Zigarettenkonsum massiv reduzieren, im schönsten Fall bereits das Rauchen aufgeben. Spätestens wenn der Test positiv ist, sollte der Verzicht auf Alkohol und Zigaretten selbstverständlich sein.
  • Übergewicht abbauen – auch wenn es schwer ist. Deine Schwangerschaft ist ja nun wirklich der schönste Grund, es anzugehen – wenn nicht für die eigene Gesundheit, dann wenigstens für die Deines Babys. In der Schwangerschaft sollst Du natürlich nicht mit einer Diät abnehmen, Du kannst aber Deine Ernährung umstellen (z.B. Zuckerkonsum herunterfahren, ungesunde Fette meiden).
  • Bei Symptomen einer Scheideninfektion (Jucken, Brennen, Stechen, veränderter Ausfluss, Schmerzen beim Wasserlassen) frühzeitig zum Arzt gehen.
  • Regelmäßig (vor allem auch bei bestehenden Problemen oder häufigem Zahnfleischbluten) in der Schwangerschaft zum Zahnarzt gehen.
  • Bei Verdacht auf andere Entzündungen wie Blasenentzündung, Halsentzündungen oder Nebenhöhlenenztündungen bei grippalem Infekt frühzeitig zum Arzt und lieber einmal ein Antibiotikum nehmen, auch wenn Du das vielleicht nicht so gerne möchtest. Ich verstehe gut, dass man in der Schwangerschaft möglichst keine Medikamente nehmen möchte, in diesem Fall ist der Nutzen aber auf jeden Fall das Risiko wert.
  • Bei Verdacht auf vorzeitige Wehentätigkeit, Muttermundseröffnung oder Cervixinsuffizienz in einer frühen Woche ärztliche Abklärung. Notfalls auch in der Klinik (nachts, am Wochenende).

Wenn keine Besonderheiten auftreten, gibt es keinen Grund, sich als Schwangere übermäßig zu schonen. Dein Körper zeigt Dir schon sehr genau, was noch möglich ist und was nicht. Arbeit, Sport oder auch Sex schaden einer gesunden Schwangerschaft gar nicht, d.h. darauf musst Du nicht prophyklaktisch verzichten. Hat Dein Frauenarzt vorzeitige Wehen, einen verkürzten Gebärmutterhals oder andere Symptome entdeckt, wird er Dich sicher entsprechend aufklären und Dir genau sagen, was Du noch machen kannst und was Du lieber sein lassen solltest.

Was hat es mit den pH-Handschuhen auf sich, von denen so oft im Hinblick auf Frühgeburten berichtet wird?

Manche Frauen benutzen pH-Handschuhe prophylaktisch oder haben sie von ihrem Frauenarzt empfohlen bekommen, um regelmäßig zu Hause ihren Scheiden-pH-Wert zu messen. Bei Infektionen verändert sich der Scheiden-pH und die Testhandschuhe verfärben sich. So möchte man den Frauen mehr Kontrolle darüber geben, ob alles „okay“ ist, oder ob sie sich bei Frauenarzt, Hebamme oder Geburtsklinik vorstellen sollten.

Warum ich als Hebamme nicht von diesen pH-Wert-Handschuhen überzeugt bin, möchte ich Dir gerne in einem gesonderten Artikel erzählen.

Mein Fazit: Niemand ist Schuld an einer Frühgeburt

Ein Frühchen zu bekommen ist für jede Familie, die es betrifft, oft ein großer Schock. Die Welt steht Kopf und alles ist anders. Ich verstehe, dass man sich als Schwangere einen Leitfaden wünschen würde, wie man es „richtig“ macht, um eine Frühgeburt zu verhindern. Aber den kann ich leider nicht geben, ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, den gibt es nicht.

Eine Frühgeburt „verdient“ niemand, schon gar kein Baby verdient es, als Frühgeburt auf die Welt zu kommen… aber es passiert eben einfach manchmal, aus welchem Grund auch immer.

Dein Bauch ist der beste Platz für Dein Baby, um groß genug zu werden, um auf der Welt gut leben zu können. Und Du sorgst dafür, dass das so ist. Wenn Du ein Frühchen bekommst, hast Du nichts falsch gemacht. Dein Baby oder die Ärzte haben entschieden, dass es draußen jetzt sicherer und besser versorgt werden kann. Und daran hat keiner Schuld.

Frühchen, auch kleine Frühgeborene, haben heute eine wirklich sehr gute Chance, ein ganz „normaler“ kleiner und langfristig auch großer Mensch zu werden, auch wenn der Anfang holprig war. Heute geht man bei einem Frühgeborenen, das in der 24.-25. Schwangerschaftswoche geboren wird, von einer Überlebensrate von 70-80% aus, ab der 28. Schwangerschaftswoche hat Dein Baby eine Chance von über 90%.

Also hab‘ nicht zu viel Angst und schätze die Tage mit Baby im Bauch, wenn sie auch manchmal anstrengend sind. Denn jeder Tag zählt ;-)

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Ein Kommentar zu Frühgeburt verhindern: Geht das?

  1. Ich möchte mich für diesen Artikel bedanken. Seit 3 1/2 Wochen liege ich nun wegen vorzeitiger Wehen im Krankenhaus, inzwischen haben wir es immerhin in die 29. Woche geschafft und wir arbeiten uns jeden Tag voran. Und man stellt sich automatisch irgendwann die Frage, wie es dazu kommen konnte oder ob man nicht doch noch etwas tun kann, damit das Kleine so lange wie möglich im Bauch sein kann. So einen Moment hatte ich gerade wieder und der Artikel hat mich wieder daran erinnert, dass ich nicht mehr tun kann, als ich momentan mache und dass ich letztendlich nur hoffen kann, dass es noch ein bisschen gut geht. Also danke, ich bin gerade wieder etwas beruhigter.

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